Acht- statt Zehnkampf?
Ein Reformvorschlag sorgt in der Leichtathletik für Wirbel
Jürgen Hingsen kann über die Idee nur lachen. Acht- statt Zehnkampf? »Das ist Schwachsinn, den Vorschlag finde ich voll daneben«, sagte der deutsche Rekordhalter. Einen entsprechenden Reformvorstoß von Paul Meier kann Hingsen, der 8832-Punkte-Mann, nicht nachvollziehen: »Der Zehnkampf ist die Königsdisziplin der Leichtathletik, die sollte man nicht beschneiden.« Das Rütteln am Mythos ist für den ehemals so bekannten Mehrkämpfer ein »No-Go«. »Der König der Athleten sollte auch ein König bleiben«, sagte Hingsen.
Meier sorgt mit seinem Vorschlag in der Szene derzeit für ordentlich Zündstoff, viele Athleten lehnen ihn ab, andere verstehen zumindest die Idee dahinter. Der WM-Dritte von 1993 hatte zuletzt einen Achtkampf ins Gespräch gebracht, um die Attraktivität des Mehrkampfes zu steigern. Dabei stellte der 45-Jährige - pikanterweise Präsident des Vereins »Zehnkampf-Team« - den Stabhochsprung und Diskuswurf zur Disposition. Den Siebenkampf der Frauen will Meier zudem um eine Disziplin aufstocken.
»Mir geht es nicht darum, den Zehnkampf abzuschaffen, sondern darum, den Mehrkampf attraktiver und zukunftsfähig zu gestalten«, sagte Meier. »Wenn dazu Veränderungen notwendig sind, bin ich gerne bereit, darüber kontrovers zu diskutieren und revolutionäre Vorschläge einzubringen.«
Der Vorschlag führte nun aber erst einmal dazu, dass unter anderem die beiden deutschen Top-Zehnkämpfer Rico Freimuth und Kai Kazmirek aus dem »Zehnkampf-Team«, einem Verein für Mehrkampf-Enthusiasten, ausgetreten sind. Auch Zehnkampf-Bundestrainer Rainer Pottel, Freimuths Coach Wolfgang Kühne sowie der ehemalige Vize-Weltmeister Michael Schrader erklärten ihren Austritt.
»Wir können gerne über revolutionäre Ideen reden, aber nicht über die Abschaffung des Zehnkampfes«, sagte Freimuth. »Wir lehnen den Vorschlag ab.« Zudem beklagte der Weltranglistenerste aus Halle (8663 Punkte), dass Meier nie mit ihm über das Thema gesprochen habe. »Das ist kein seriös geführter Verein«, sagte Freimuth über »Zehnkampf-Team«.
Am Vorabend der WM-Qualifikation für London im August in Ratingen sei zwar auf der Hauptversammlung des Vereins tatsächlich darüber gesprochen worden, aber da lag Freimuth schon im Bett. Und fühlte sich vom Lärm der anschließenden Party auch noch gestört.
Grundsätzlich zeigte sich aber auch Jürgen Hingsen offen für Reformen, so etwa für jene, mit denen man den Zeitplan bei internationalen Großereignissen straffen könnte. »Vielleicht sollte man einen Stunden-Zehnkampf machen«, sagte der Olympia-Zweite von 1984. Dabei werden alle zehn Disziplinen in 60 Minuten absolviert. Den Weltrekord in dieser Spielart des Zehnkampfs hält der Tscheche Robert Zmelik mit immerhin 7897 Punkten.
Meier sagte, es geht ihm mit seinem Vorstoß vor allem darum, »wie wir die Zukunft unserer Sportart sichern und die Attraktivität steigern können.« Der Mehrkampf verkomme bei den Großereignissen zunehmend zu einer »Randerscheinung«, sagte er. Veränderungen seien eben »oft unbequem und der Weg zu neuen Ufern ist oftmals beschwerlich und mit Opfern verbunden.« Die Frage sei vielmehr, ob der König der Athleten am Ende ein König ohne Königreich ist? SID/nd
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