Hurra, hurra, der »Porudi« ist da!
In Japan wird Lukas Podolskis Ankunft gefeiert - die J-League wähnt sich glücklich im Besitz eines Weltstars
Mit der Ankunft von Lukas Podolski in Kobe hat die japanische J-League seit langem wieder einen Weltstar. Der Kölner könnte bald den Status einer Legende erreichen. Nach dem tosenden Einstand am Donnerstag scheint es fast schwieriger, das noch zu verspielen.
Als der Flieger landete, war der rote Teppich schon ausgerollt, umzingelt von Hunderten, die Schals, Plakate und Deutschlandtrikots mit der Nummer 10 in die Luft streckten. Und als Lukas Podolski japanischen Boden betrat, war der Jubel fast lauter als die Triebwerke der Chartermaschine hinter ihm. Für die 60 Teppichmeter brauchte der Fußballer eine halbe Stunde. Händeschütteln, Autogramme, Daumen hoch, Kameralächeln. Der erste wichtige Termin nur Sekunden nach der Ankunft. Der nächste folgte am Mittag in der Hafenstadt Kobe. Wieder Applaus, nun aber mit Redezeit. »Auf Japanisch was sagen? Konnichiwa!«, unkte Podolski, und bald zeigte auch sein Daumen wieder nach oben. Von solchen Auftritten wird man in Japan in den nächsten Tagen und Wochen noch einige erleben.
Seit im März dieses Jahres bekannt geworden war, dass Lukas Podolski für zweieinhalb Jahre zum Erstligisten Vissel Kobe wechseln würde, hat sich die Fußballszene im Land, und mit ihr ein großer Teil der Entertainmentbranche, fast nur noch um ihn gedreht. Sofort wurde er auf »Podolski VIP« getauft, anderswo lief die japanisierte Version des deutschen Spitznamens um: »Porudi.«
Zeitungsartikel und Stadtgespräche beschäftigen seitdem auch mit Fragen, die mit Sport wenig zu tun haben: Wird er unser Essen mögen? Wo gehen die beiden Kinder zur Schule? Was ist mit japanischen Hightech-Toiletten, kann er die bedienen? Anfang des Monats konnte die Tageszeitung Nikkan Sports es aber nicht mehr abwarten. Als sich offenbarte, dass sich für die Willkommensparty in Kobe am Donnerstagmorgen doppelt so viele Personen angemeldet hatten, als die 450 Plätze eigentlich her gaben, titelte die Zeitung: »Podolski, komm schneeeell!«
»Endlich hat die J-League wieder einen richtigen Weltstar«, freut sich auch Rimia Ono, Sprecherin von Japans erster Liga. Ono erwartet, dass der Transfer für vollere Stadien bei Spielen von Kobe sorgt, gesteigerte TV-Einschaltquoten und mehr Verkäufe im Merchandising, zum Beispiel Teddybärchen mit Podolskis Nummer 10 im Kobe-Trikot. Vielleicht würden auch noch mehr Kinder mit dem Fußball anfangen, um einmal so zu werden wie Porudi. »Bekannte ausländische Spieler können einen neuen Boom auslösen« meint Ono. Erwachsene wie Kinder fühlten sich geehrt, wenn ein Weltmeister nach Japan komme.
Die große Liebe zu großen Namen ist auch in Japan nicht neu. Als die J-League 1993 in ihre erste Saison ging, statteten sich die Klubs mit reichlich Altstars wie Gary Lineker, Zico, Guido Buchwald oder Pierre Littbarski aus. Auch dank dieser Transfers löste Fußball nach und nach Baseball als beliebtester Sport im Land ab. Als den Klubs ein paar Jahre später inmitten einer Wirtschaftskrise das Geld ausging, wanderten aber die Hochkaräter wieder ab.
Unterdessen mauserte sich Japan mit systematischer Nachwuchsarbeit allmählich vom Importeur von Altstars zum Exporteur von Talenten. Darüber, dass heute in diversen europäischen Klubs Japaner unter Vertrag stehen, ist man stolz. Gleichzeitig aber hätten viele Fans gerne wieder ein paar mehr ihrer Stars in der heimischen Liga.
Und jetzt ist mit Podolski endlich wieder so einer da. Nominell ist der Kölner mit Abstand der ranghöchste Spieler der Liga, ein »VIP« mit einem linken Fuß »als gefährlicher Waffe«, wie die Zeitung »Tokyo Sports« erklärte. Das Blatt verglich: Ab 2014 machte der Uruguayer Diego Forlán ein Gastspiel bei Cerezo Osaka, aber der stieg gleich in die zweite Liga ab. Einem Podolski würde das nicht passieren, der sei ja Weltmeister. Und dass der jetzt wirklich hier ist, das können viele noch immer nicht recht fassen. Um die Jahrtausendwende hatte der einstige Weltfußballer Roberto Baggio etwa ein Angebot aus Japan abgelehnt, weil er die Liga als Abstellgleis empfand.
Dieser Status, keine Spitzenliga zu sein, plagt auch viele fußballinteressierte Japaner. So wird jeder Spieler mit großem Namen, der dennoch kommt, umso stärker umjubelt. Verehrung nimmt dabei oft ein besonderes Ausmaß an. Bekannte Persönlichkeiten werden in der Öffentlichkeit noch weniger hinterfragt als anderswo, Fans ist es häufig auch nicht genug, die Spiele zu verfolgen und vielleicht noch ein Trikot zu besitzen. Die Verehrung eines Idols wird nicht selten zur Mission. Nicht undenkbar, dass Podolskis Heimatstadt Köln für einige Kobe-Fans zur Pilgerstätte wird.
Sein erstes Spiel soll Podolski am 29. Juli im heimischen Stadion gegen Omiya Ardija machen. Sein Klub Vissel Kobe ist bisher allerdings nicht durch sportliche Erfolge aufgefallen. Nach einem guten Saisonstart verlor die Mannschaft dreimal in Folge, am ersten Juliwochenende sogar 0:5 gegen Kawasaki Frontale. Dabei sind die Ziele andere: Der Sponsor Rakuten, eine japanische Einzelhandelsplattform, sponsert außerdem das japanische Baseballspitzenteam Eagles aus der Stadt Sendai und seit diesem Sommer den FC Barcelona. Mit Lukas Podolski soll jetzt auch im heimischen Fußball ein Rakuten-Klub glänzen. Der neue VIP wolle natürlich dazu beitragen, wie er auf seiner ersten Pressekonferenz mit den üblichen Phrasen versicherte. Den Saal verließ er unter tosendem Beifall, man konnte denken, die Journalisten gehörten zu seinen Fans.
Kann Podolski hier scheitern? Es wird wahrscheinlich schwierig, solange die Zuschauer während seiner Spiele Schweißtropfen und in Interviews sein Grinsen sehen können. Ein paar Tore könnten helfen. Zu einer Art Legende war Podolski aber schon vor seinem feierlichen Empfang am Donnerstag geworden.
Ein Video, in dem er sein vermeintliches Haus zeigt, in dem er einen Bonsaibaum mit zarter Schere stutzt und im Garten in schwerer Rüstung Kendo trainiert, ging in Japan wild herum, mit viel Lob nach dem Motto: Er versteht uns! Nikkan Sports hatte im Juni auch ein Interview mit der »Bild« mitgelesen und war begeistert: Podolski VIP benutze zwar keine Stäbchen und mag auch kein Sushi. »›Aber Kobe macht das beste Rind der Welt‹, freute sich Podolski«, freute sich Nikkan Sports, freut sich jetzt vielleicht halb Japan.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.