EU-Parlament: Türkei soll draußen bleiben
Amnesty-Aktivisten festgenommen / Im Fall Yücel fordert das Menschenrechtsgericht eine Stellungnahme
Straßburg. Das EU-Parlament dringt auf eine formale Aussetzung der Beitrittsgespräche mit der Türkei. Die Abgeordneten stimmten am Donnerstag in Straßburg parteiübergreifend für eine entsprechende Aufforderung an die EU-Kommission, die aber rechtlich nicht bindend ist. Die Brüsseler Behörde führt die Verhandlungen mit Ankara.
Zu einer Suspendierung der Gespräche soll es nach dem Willen der Parlamentarier aber nur kommen, wenn die Türkei die umstrittene Verfassungsreform ohne Änderungen umsetzt. Diese Reform könnte nach Einschätzung von Experten die Gewaltenteilung und die Unabhängigkeit der Justiz einschränken. Bei einer Aussetzung der Gespräche würde die Türkei Geld, das sie für Reformen bekommt, nicht mehr erhalten.
Die Türkei wies die Aufforderung des EU-Parlaments scharf zurück. »Für uns ist diese Entscheidung null und nichtig«, teilte das türkische Außenministerium mit. Die Entscheidung basiere auf »haltlosen Behauptungen und Beschuldigungen«. Der türkische EU-Minister Ömer Celik sagte, die Abstimmung zeige das »fehlende Vertrauen« zwischen der Türkei und der EU. Er hatte kurz vor der Abstimmung noch betont, die Türkei strebe weiterhin eine Vollmitgliedschaft in der EU an.
Scharfe Kritik an der Bundesregierung übt der türkische Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Gegenüber der »Zeit« forderte er das Recht auf einen Redeauftritt in Deutschland ein. »Deutschland muss diesen Fehler korrigieren«, sagte Erdogan. »Das ist sehr hässlich. Mir ist so etwas noch nie begegnet.« Er könne doch nicht »mundtot« gemacht werden.
Am gleichen Tage wurden in seinem Land laut Amnesty International zehn Menschenrechtsaktivisten festgenommen. Darunter ist die Direktorin der türkischen Sektion von Amnesty International, Idil Eser, wie die Organisation mitteilte. Amnesty forderte die unverzügliche Freilassung der Festgenommenen. Zu den Inhaftierten gehört demnach auch ein deutscher Staatsbürger. Die Festnahmen seien bei einer Schulung in einem Hotel in Istanbul erfolgt, hieß es. Die türkische Zeitung »Hürriyet« spricht sogar von zwölf Festnahmen. Wohin die Menschenrechtler gebracht wurden und was ihnen vorgeworfen wird, ist nicht bekannt.
Zum Fall des inhaftierten deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) von der türkischen Regierung eine Stellungnahme gefordert. Das teilte das Gericht Yücels Rechtsanwalt Veysel Ok in einem Schreiben mit, wie die »Welt« berichtete. Yücel hatte Anfang April beim EGMR Beschwerde gegen seine Inhaftierung eingelegt. Die Stellungnahme der türkischen Regierung sei eine wesentliche Voraussetzung für eine Entscheidung des Gerichtes. Für die Abgabe der Stellungnahme habe das Gericht der türkischen Regierung eine Frist bis einschließlich 23. Oktober gesetzt. Agenturen/nd
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