G20-Protest: Wieder Auseinandersetzungen in der Schanze

Bunt und politisch breit gefächert: 76.000 demonstrierten gegen den Gipfel / Gewerkschaften kritisieren Entzug von G20-Akkreditierungen /

  • Elsa Koester, Sebastian Bähr (Hamburg), Samuela Nickel, Robert D. Meyer (Berlin)
  • Lesedauer: 14 Min.

Update 00.30 Uhr: Sonderzug nach Basel startet mit Verspätung
Am Hamburger Hauptbahnhof ist ein Sonderzug losgefahren, der G20-Gegner in Richtung Basel bringen sollte. Die Abfahrt verzögerte sich um gut eine Stunde, weil die Polizei die Personalien von Mitfahrenden aufnehmen und Videos von ihnen machen wollte. Mit der Maßnahme sollte nach mutmaßlichen Straftätern gesucht werden. Letztlich kontrollierten die Beamten nur oberflächlich. Festnahmen gab es nicht. Am linksalternativen Kulturzentrum Rote Flora im Schanzenviertel setzte die Polizei unterdessen Wasserwerfer ein, um eine Sitzblockade aufzulösen. Den Angaben zufolge wurden zudem an der nahen Sternbrücke Barrikaden entzündet. Einsatzkräfte löschten und räumten demnach.

Update 23.50 Uhr: Und wieder kracht es im Schanzenviertel
Und so kann sich die Situation ändern: Vor etwa einer Stunde herrschte in der Hamburger Schanze noch eine ausgelassene Stimmungen, berichten unsere »nd«-Reporter*innen vor Ort. Die Menschen feierten in den Bars & Kneipen. Doch damit ist an einigen Stellen pötzlich Schluss. Wie unsere Kolleg*innen berichten, zieht die Polizei immer mehr Einsatzkräfte im Viertel zusammen. Schwerpunkte bilden dabei der Neue Pferdemarkt, Schulterblatt und die Rote Flora. Vor dem linksalternativen Kulturzentrum stehen laut unseren Reporter*innen zwei Wasserwerfer sowie eine Polizeikette. Am Neuen Pferdemarkt setzten die Beamten Wasserwerfer und Reizgas ein, um die Kreuzung zu räumen. Menschen skandierten: »Wir sind friedlich, was seid ihr?« Was konkret Auslöser für die erneute Eskalation war, ist wie schon in den letzten zwei Nächten nicht wirklich zu klären. Die Hamburger Polizei berichtet via Twitter von »massiven Angriffen durch Störer« sowie vom »Bewurf mit Gegenständen« und diversen Sachbeschädigungen. Andererseits berichten etliche Menschen davon, dass die Polizei besonders aggressiv auftrete, wahllos Menschen kontrolliere und auf feiernde Personen losgegangen sei. Laut Bundespolizei kam es wegen der aktuellen Situation zu erheblichen Beeinträchtigungen im S-Bahn-Verkehr im gesamten Stadtgebiet.

Auch beim Sonderzug, der Hunderte Aktivist*innen heute Nacht zurück nach Basel bringen sollte, gab es offenbar Verzögerungen bei der Abfahrt. Die Polizei hielt den Zug im Hamburger Hauptbahnhof fest. Beobachter*innen vor Ort berichten, die Beamten hätten umfangreiche Personenkontrollen durchführt.

Update 22.36 Uhr: Polizei fordert italienische Aktivist*innen offenbar auf, Stadt zu verlassen
Auch eine zweite Gruppe italienischer Aktivisten wurde nach der Demonstration von der Polizei festgesetzt. Wie Fabio Mengali der linken italienischen Gruppe »Global Project« gegenüber »nd« berichtet, wurde er gemeinsam mit neun weiteren Aktivisten aufgehalten, als sie die Abschlusskundgebung verlassen wollten. Sie hätten ihre Personalien vorzeigen müssen. Danach habe die Polizei ihnen angeordnet, sie müssten innerhalb der kommenden Stunden Hamburg verlassen. Mengali äußerte den Eindruck, die Polizei habe darauf reagiert, dass seine Gruppe italienisch gesprochen habe. Der italienische Aktivist und Lokalpolitiker Beppe Caccia: »Ich fürchte, die Polizei will uns als ‚Ausländische Gewalttäter‘ darstellen und uns die Schuld für die Krawalle der vergangenen Nacht anlasten.«

Update 21.50 Uhr: Italienische Europa-Abgeordnete festgenommen
Am Rande der Abschlusskundgebung wurde eine Abgeordnete der europäischen Linksfraktion GUE/NGL festgenommen. Wie der LINKE-Bundestagsabgeordnete Jan van Aken berichtete, wurde Eleonora Forenza zusammen mit weiteren 15 italienischen Aktivisten gekesselt, als sie die Demonstration verlassen wollte. Die Festgehaltenen sollten ihre Personalien zeigen und die Taschen zur Kontrolle öffnen. Nicht alle folgten dieser polizeilichen Anweisung, berichtet der italienische Aktivist und Politiker Beppe Caccia. Forenza wurde anschließend auf das Polizeirevier gebracht. Auf Facebook berichtet sie von der Festnahme. Wie der NDR-Reporter Björn Staschen auf Twitter berichtet, begründet die Polizei die Festnahme damit, dass die linke Politikerin »szenetypisches Verhalten« gezeigt habe. Indiz dafür seien Wechselklamotten gewesen, die sie dabei gehabt habe: »von schwarz auf bunt.« Seit kurz nach 20 Uhr sei die EU-Parlamentarierin jedoch wieder auf freiem Fuß.

Update 20.35 Uhr: Protest offiziell beendet
Die letzte große Anti-G20-Kundgebung ist am späten Sonnabend offiziell zu Ende gegangen. Zehntausende demonstrierten bei der vom LINKEN-Bundestagsabgeordneten Jan van Aken angemeldeten Kundgebung »Grenzenlose Solidarität statt G20«. Die Polizei sprach von 50.000 Demonstranten, die Veranstalter von 76.000.

Update 19.00 Uhr: DJV & DJU kritisieren Entzug von G20-Akkreditierungen
Journalistenverbände protestieren dagegen, dass mehreren deutschen Pressevertretern ihre Akkreditierungen für den G20-Gipfel entzogen wurden. Das Vorgehen des Bundeskriminalamtes (BKA) sei »rechtlich äußerst fragwürdig«, erklärte die Bundesgeschäftsführerin der Deutschen Journalisten-Union (DJU), Cornelia Haß, am Samstag. Seit Freitag hätten sich mehrere DJU-Mitglieder gemeldet, denen trotz Akkreditierung der Zugang zum Medienzentrum verweigert worden sei. In allen Fällen sei zur Begründung gesagt worden, es gebe »sicherheitsrelevante Erkenntnisse«. Dazu erklärte Haß, es dränge sich »eher der Eindruck auf, dass unliebsame Berichterstattung unterbunden werden soll«. Die DJU habe Widerspruch bei den Behörden eingelegt und wolle die Praxis gerichtlich überprüfen lassen.

Man gehe von bis zu 15 Fällen aus, in denen Akkreditierungen entzogen worden seien, sagte der Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV), Frank Überall, der Deutschen Presse-Agentur. »Wir werden mit BKA und Bundespresseamt Kontakt aufnehmen. Dieses Verhalten muss erklärt und überprüft werden, und das werden wir einfordern. Es ist zumindest geeignet, Bauchschmerzen in Sachen Pressefreiheit zu bekommen.« Betroffen waren unter anderem Reporter von »Weser-Kurier« und »Junge Welt«, wie die Zeitungen berichteten. Das Bundeskriminalamt erklärte via Twitter, konkrete Gründe könnten die Betroffenen erfragen, »diese werden jedoch nicht durch uns veröffentlicht«.

Update 18.45 Uhr: Musik, Musik, da tanzt auch Hamburg
Folgende von der Nachrichtenagentur dpa beschriebenen Szenen von der Abschlusskundgebung wollen wir euch nicht vorenthalten: »Tausende Menschen versammelten sich auf dem Millerntorplatz an der Reeperbahn. Auf der Bühne spielte Musik. Beobachter sprachen von Festival-Charakter. Einige Demonstranten machten Selfies mit Polizisten, an anderer Stelle umarmten sich ein Polizist und ein Demonstrant unter dem Applaus der Umstehenden.«

Update 17:35 Uhr: Ein HoGeSa-Himmelfahtskommando?
Wir wollen an dieser Stelle nicht das Klischee vom »blöden Nazi« bedienen, aber die an der folgenden Meldung beteiligten Personen wären aus unserer Sicht Kandidaten für den Darwin-Award: Im Internet hatten Anhänger der rechtsradikalen HoGeSA (»Hooligans gegen Salafisten«) aus Hannover dazu aufgerufen, gemeinsam zum G20-Gipfel nach Hamburg zu fahren. »Die Familie hält zusammen – HoGeSa für Deutschland« hieß es in einem Posting in den sozialen Netzwerken. Treffpunkt sollte 14 Uhr am vor dem Hannoveraner Hauptbahnhof sein. Am Ende kamen gerade einmal zwei Rechte, wobei einer sogar noch von der Polizei kurzfristig einkassiert wurde. Die Reise in die Hansestadt fällt damit wohl aus. Vor Ort in Hamburg hatten wohl auch einige Rechte von dem Aufruf etwas mitbekommen. Kein Dutzend von Ihnen traf sich am Hauptbahnhof, die Polizei war direkt zur Stelle und kontrollierte die kleine Gruppe, die nun wirklich nicht so aussieht, als würde sie sich heute Abend Ärger im Schanzenviertel einhandeln wollen. Das wäre in der Tat eine dumme Idee.

Update 15:50 Uhr: Protest erreicht Millerntorplatz
Der Demonstrationszug »Grenzenlose Solidarität statt G20« kommt langsam an seinem Ziel auf dem Millerntorplatz in Hamburg an. Dort soll es noch eine Abschlusskundgebung geben. Das kann allerdings aufgrund der vielen Teilnehmer*innen noch etwas dauern.

Update 15:11 Uhr: 76.000 protestieren für eine grenzenlose Welt
Ein kurzes Update unsererseits: Inzwischen haben auch die Organisatoren von »Grenzenlose Solidarität statt G20« die vielen Teilnehmer*innen gezählt. Die Veranstalter*innen kommen auf 76.000 Menschen, die bunt und vielfältig durch Hamburgs Innenstadt protestieren.

Update 14.30 Uhr: Zehntausende fordern grenzenlose Solidarität
Teilnehmer*innen bei Protesten zu zählen ist eine Wissenschaft für sich. Grundsätzlich gilt: Je größer der Protest umso schwieriger ist auch die Zählung. »Grenzenlose Solidarität statt G20« macht hier keine Ausnahme. Die Hamburger Polizei spricht derzeit von etwa 20.000 Teilnehmer*innen. Unsere »nd«-Reporter*innen vor Ort sagen aber, dass es deutlich mehr Menschen sind, die in diesen Stunden für eine andere Politik auf die Straße gehen. Sicher ist: Es sind sehr viele, es werden immer mehr und der Protest ist bunt, ausgelassen und vielfältig.

Update 13.55 Uhr: Sorge um Bürgerrechte in den G20-Staaten
Die Netz-Aktivistin und Bloggerin Katharina Nocum vom Hamburger Bündnis gegen Überwachung prangerte »ein Übermaß an Überwachung« und einen Abbau von Bürgerrechten in den G20-Staaten an. Das Abhören durch die NSA und andere Geheimdienste, die Flugdatenspeicherung und die Videoüberwachung würden immer billiger, sagte Nocum: »Was früher noch hunderttausend Spitzel erforderte, passt heute in ein Rechenprogramm.«

Update 13.50 Uhr: Pyrotechnik für ein bisschen Hausdurchsuchung
Die Hausdurchsuchung in der Brigittenstraße ist laut Berichten von »Spiegel Online« nun abgeschlossen. Ziel der Polizeirazzia war das »Internationale Zentrum B5« in St. Pauli. Mit »massiven Kräften« und einem Entschärferteam seien die Polizisten vorgefahren, um die Räumlichkeiten des Zentrums und die Veranstaltungsräume des angrenzenden Programmkinos »B-Movie« zu durchsuchen. Grund dieses Einsatzes war wohl ein Hinweis, dass in der Brigittenstraße »gefährliche Gestände gelagert würden, die zur Herstellung von Brandsätzen genutzt werden könnten«, heißt es bei »Spiegel Online«. Gefunden wurde bei der Razzia aber lediglich Pyrotechnik.

Update 13.34 Uhr: Bunt und politisch breit gefächert
Mit 20.000 Teilnehmer*innen zieht die Großdemonstration »Grenzenlose Solidarität statt G20« nun durch Hamburgs Innenstadt. Der Protest will auch als Antwort auf die Polizeigewalt und Zerstörung in der Nacht zu Samstag verstanden werden. »Kein Mensch kann ernsthaft glauben, dass wir blinde Gewalt befürworten und ein Interesse an Auseinandersetzungen mit der Polizei hätten«, erklärt Thomas Eberhardt-Köster vom bundesweiten Attac-Koordinierungskreis. Die Bundestagsabgeordnete der LINKEN, Ulla Jelpke, bezeichnet es als Skandal, dass die Krawalle der vergangenen Nacht im Zusammenhang mit den Protesten hochgespielt werden. »Während die Polizei in der Schanze versagte, ging die Beamte martialisch gegen die friedlichen Blockierer vor«, kritisiert Jelpke die Vorgehensweise der Sicherheitsdienste. »Die Verantwortung dafür trägt Merkel, die den Gipfel mitten nach Hamburg holte. Aber heute zeigen wir, dass der Protest gegen die G20 breit ist, friedlich - und sehr stark! ist« Die Großdemonstration steht im Zeichen für Alternativen zur national-neoliberalen Wirtschaftspolitik und zur bisherigen Klimapolitik der G20. »Merkel versucht, sich vor der Bundestagswahl beim G20-Gipfel groß in Szene zu setzen. Dabei wollen wir ihr einen Strich durch die Rechnung machen. Wir fordern einen gerechten Welthandel«, so Judith Amler vom Attac-Rat.

Update 13.15 Uhr: Haltung zeigen zu G20
In der Hansestadt ist auch die Demonstration »Hamburg zeigt Haltung!« gestartet. Laut der Polizei nehmen daran rund 1.500 Menschen teil. Bei der bürgerlichen Manifestation gehen Menschen für Demokratie, Pressefreiheit, Gleichberechtigung und Menschenrechte auf die Straße. »Um die Probleme der Welt zu lösen, brauchen wir keinen neuen Nationalismus, sondern mehr grenzüberschreitende Zusammenarbeit«, heißt es von Seiten der Veranstalter. »Wir brauchen kein Gegeneinander, sondern ein konstruktives Miteinander. Wir brauchen eine moderne, demokratische und weltoffene Politik. In diesem Sinne wollen wir ein Zeichen setzen.«

Update 13.05 Uhr: »Gegen das Unrecht und die Unvernunft des Kapitals«
Die Auschwitz-Überlebende Esther Bejarano würdigt das Engagement der Demonstranten »gegen das Unrecht und die Unvernunft des Kapitals«. »Ihr wollt nicht zusehen, wenn durch die Ausbeutung der Natur die Inseln Mikronesiens dem Klimawandel geopfert werden«, sagte die 92-Jährige. Es dürfe nicht sein, dass mit Waffenhandel viel Geld verdient wird »und im Mittelmeer tausende Flüchtlinge ertrinken.« Scharf kritisierte Bejarano den Umgang der Politik mit den Demonstrationen gegen G20. Die Stadt Hamburg habe sich gegenüber den Protestierenden »unwürdig erwiesen« und stattdessen »die Konfrontation gesucht«, sagte sie. Kundgebungen, Demos und selbst das Schlafen seien verboten worden. Die Botschaft sei gewesen: »Für euch ist kein Platz bei unserem Gipfel. Das ist eine Schande.« Unter großem Beifall sagte Bejarano: »Es ist Zeit für einen Aufschrei.« Es müsse »ein lauter Aufschrei« sein, der »bis in den letzten Winkel unseres Landes widerhallt«.

Update 12.57 Uhr: Kontrollen und Durchsuchungen
Eine »nd«-Reporterin vor Ort berichtet von Polizeikontrollen im Bereich des Camps in Altona. Beamte begutachten Zelte, kontrollieren das Gepäck und führen an den Ausgängen Personalkontrollen durch. Viele gehen vom Camp aus zu der Großdemonstration »Grenzenlose Solidarität statt G20«. Der Sprecher der Hamburger Polizei konnte die Gründe für die Kontrollen beim Camp Altona dem »nd« gegenüber nicht nennen, da im Moment viele Ermittlungen im Gange seien und einzelne Kontrollen nicht bestätigt werden könnten. Der G20-Ermittlungsausschuss und das Medienzentrum FC/MC berichten auf dem Kurznachrichtendienst Twitter von einer weiteren Polizeikontrolle und Durchsuchungen in der Brigittenstraße.

Update 12.50 Uhr: Schon mehr als 12.000 Teilnehmer
Noch immer strömen viele Menschen zur Auftaktkundgebung von »Grenzenlose Solidarität statt G20« am Deichtorplatz. Laut Hamburger Polizei sollen es bereits 12.000 Teilnehmer sein, die sich »am Antreteort« versammelt haben. Unserer Einschätzung nach dürften es noch einige mehr werden.

Update 12.35 Uhr: »Gipfel ist ein Fiasko für die Demokratie«
Inzwischen läuft die Auftaktkundgebung von »Grenzenlose Solidarität statt G20« mit verschiedenen Rednern. Darunter auch die LINKEN-Vorsitzende Katja Kipping. »Der Gipfel ist ein Fiasko für die Demokratie«, erklärt sie. Niemand habe das Recht, die Versammlungsfreiheit dermaßen zu beschränken. An die Adresse der Staats- und Regierungschefs gerichtet, erklärte Kipping: »Egal, wie unterschiedlich die G20-Regierungsspitzen sind. Sie eint, dass dass sie die herrschende Ungleichheit verteidigen wollen. Ihre Leitidee: Profite vor Menschen! Für uns gilt: Menschen vor Profite!«

Auch für die Krawalle der letzten Nacht fand die LINKEN-Vorsitzende Worte: »An alle, die eskalieren, an die, die Autos anzünden und an die, die Wasserwerfer einsetzen. Wir wollen heute bunt und friedlich für eine bessere Welt demonstrieren und das ist möglich.«

G20-Protest: Grenzenlos und solidarisch in Hamburg

Zum Abschluss des G20-Gipfels am Samstag in Hamburg wollen Menschen mit einer Großdemonstrationen ein Zeichen gegen die Politik der G20 setzen. Zur Demonstration »Grenzenlose Solidarität statt G20« strömen Tausende Menschen zum Deichtorplatz. Für die Auftaktveranstaltung um 11.00 Uhr versammelt sich laut dpa-Reportern ein gemischtes Publikum aus Jung und Alt sowie verschiedenen Gruppen. Die Menschen sitzen auf Grünflächen und halten Fahnen und Luftballons hoch. Zu der Demonstration werden bis zu 100.000 Teilnehmer erwartet.

Teilnehmen an der Großdemonstration werden unterschiedliche Gruppen und Bündnisse. Das Spektrum ist breit aufgestellt und auch große Nichtregierungsorganisationen, die in Zusammenarbeit mit der Bundesregierung einen zivilgesellschaftlichen Begleitprozess zu G20 organisieren, werden teilnehmen. Organisiert wird sie von dem globalisierungskritischen Netzwerk Attac.

Die inhaltliche Kritik an der Politik der G20 ist dabei genauso breit gefächert, wie die Menschen, die an der Demonstration teilnehmen. Bemängelt wird, dass auf dem Gipfeltreffen der G20 Fluchtursachen besprochen werden, ohne dass die Länder, aus denen Menschen fliehen, Teil der Gespräche sind. Die G20 sind laut Attac die »größten kriegführenden und rüstungsproduzierenden Staaten«. Ebenso wird beanstandet, dass über Beschlüsse zum Klimawandel nicht unabhängig von den Interessen der Erdöl-, Kohle- und Autoindustrie beschlossen werden, heißt es in dem Aufruf von Attac. »Wir laden alle Menschen ein, die unsere Empörung und unsere Hoffnung teilen, mit uns gemeinsam am 8. Juli 2017 in Hamburg zu einer lauten, bunten und vielfältigen Demonstration auf die Straße zu gehen.«

Greenpeace-Aktivisten haben am Samstag für einen Ausstieg aus der Kohle an der 50 Meter hohen Köhlbrandbrücke im Hamburger Hafen demonstriert. »G20: End Coal« forderten die Umweltschützer auf einem 18 mal 40 Meter großen Banner, mit dem sich Kletterer von der Brücke abgeseilten. Die 65 Aktivisten aus Deutschland, Schweden, Spanien und anderen europäischen Ländern fordern von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihre G20-Kollegen, klimaschädliche Kohle schneller durch saubere, erneuerbare Energien zu ersetzen. »Nur wenn die G20-Staaten beim Umstieg von Kohle auf Erneuerbare konsequent vorangehen, lassen sich die katastrophalsten Folgen des Klimawandels verhindern«, sagte Greenpeace-Energieexpertin Susanne Neubronner in einem Statement.

Der linke Bundestagsabgeordnete Jan van Aken, der ebenso zentral in den Gipfelprotesten engagiert ist, twitterte mit Blick auf die für Samstag geplante Großdemonstration gegen die Politik der G20, es sei wichtig, »heute mit ganz ganz vielen ein Zeichen setzen, gegen G20, gegen die Eskalation und gegen sinnentleerte Gewalt. Kommt alle, jetzt erst recht«. Die Linkspartei-Vorsitzende Katja Kipping richtete sich »an alle, die eskalieren mit Autos anzünden oder unverhältnismäßigem Wasserwerfereinsatz: Wir wollen heut friedlich demonstrieren für eine gerechte Welt und gegen G20«.

Der Thüringer Ministerpräsident Bodo Ramelow von der Linkspartei sagte, es gebe wichtige und richtige Kritik an G20. »Aber was hilft ein angezündeter PKW bei den Protesten den Opfern von Ausbeutung und Klimawandel?« Ramelow erklärte auf Twitter, er würde sich »heute einen großen und fantasievollen Demonstrationszug wünschen und bei den G20-Teilnehmern die Einsicht, dass die UNO der richtige Ort zur Kooperation und Hilfe für die ganze Welt ist«.

Die Organisatoren der Demonstration »Grenzenlose Solidarität statt G20« lehnen eine Distanzierung von den Geschehnissen im Hamburger Schanzenviertel in der Nacht zu Samstag ab. »Wenn wir uns distanzieren, nützt das keinem, und wenn wir uns nicht distanzieren nützt das auch keinem«, sagte Werner Rätz vom Attac am Samstag. mit Agenturen

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