Einfach nur gelaufen
Mittelstrecklerin Konstanze Klosterhalfen glänzt in Erfurt
Konstanze Klosterhalfen war nicht einzufangen: Nach ihrem Traumrennen über 1500 Meter bei den Deutschen Leichtathletikmeisterschaften in Erfurt schoss die 20-Jährige förmlich an den Journalisten vorbei und wurde erst vom verbalen Lasso eines Pressesprechers gebremst. Bös' gemeint hatte »Koko« das nicht - auf dem Weg zur WM in London kennt sie eben nur Vollgas. »Ich freue mich einfach, dass ich derzeit soviel Kraft habe. Hoffentlich behalte ich sie noch ein wenig«, sagte Klosterhalfen, nachdem sie in 3:59,58 Minuten zum zweiten Mal binnen eines Monats unter der magischen Vier-Minuten-Marke geblieben war - die hatte seit der Wiedervereinigung keine deutsche Läuferin geknackt. »Eigentlich wollte ich es in Erfurt etwas ruhiger angehen lassen«, sagte Klosterhalfen, »dann bin ich aber einfach gelaufen.«
Gelaufen. Einfach. Unter vier. Im Alleingang. Diese 1,74 Meter große und nur 48 Kilogramm schwere Athletin, die früher Ballett getanzt hat, Querflöte und Klavier spielt, Model war und Messdienerin ist, erzählte es, als wäre es das Leichteste auf der Welt. Und vielleicht ist es das derzeit auch für die Leverkusenerin, der in diesem Jahr als jüngster Läuferin der Geschichte das Triple gelang, die 800 Meter unter zwei Minuten (1:59,65), die 1500 Meter unter vier und die 5000 Meter (14:51,38) unter 15 Minuten gerannt zu sein.
Klosterhalfens kometenhafter Aufstieg bereitet den Verantwortlichen im Deutschen Leichtathletikverband viel Spaß, allerdings auch Kopfzerbrechen. »Wir sollten bescheiden bleiben, aber wir träumen schon davon, dass sie uns ganz viel Freude auf Weltniveau machen wird innerhalb der nächsten Jahre«, sagte der deutsche Cheftrainer Idriss Gonschinska. Das Supertalent in geordneten Bahnen zu halten und auf dem Weg zu Olympia 2020 nicht zu verheizen, wird seine große Aufgabe. »Ich sehe Konstanze immer noch als erfahrungssammelnde Athletin, egal, wie euphorisch wir jetzt sind«, sagte Gonschinska. Deshalb wird Klosterhalfen auch wie vor Saisonbeginn geplant am kommenden Wochenende die U23-Europameisterschaften im polnischen Bydgoszcz bestreiten. »Ursprünglich sind wir davon ausgegangen, dass diese EM eigentlich ihr Highlight ist und nicht die WM. Dann hat sich aber gezeigt, dass sie eigentlich wenig dagegen tun kann, unter vier Minuten zu laufen«, sagte Gonschinska.
Die WM als Betriebsunfall? »Es ist eine Ehre, in London starten zu dürfen, aber es ist auch eine ganz andere Konkurrenz«, sagte Klosterhalfen mit Blick auf die Titelkämpfe an der Themse. Dort bekommt sie es mit Afrikas Elite wie Äthiopiens Weltrekordlerin Genzebe Dibaba zu tun. Nicht wenige Fachleute meinen, dass Konstanze Klosterhalfen Europas Antwort auf die Übermacht aus Kenia und Co. sein kann. »Ich freue mich, wenn jemand etwas so etwas Nettes sagt, aber ich versuche das auszublenden«, sagte Klosterhalfen. Nicht denken, laufen. Einfach nur laufen. SID/nd
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