Tarifeinheitsgesetz für weitgehend verfassungskonform erklärt

Bundesverfassungsgericht wies Klagen mehrerer Gewerkschaften ab / Nahles: Gesetz stärkt solidarische Interessenvertretung

  • Lesedauer: 2 Min.

Karlsruhe. Das Tarifeinheitsgesetz (TEG) von Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) bleibt trotz etlicher problematischer Punkte in Kraft. Das Bundesverfassungsgericht wies am Dienstag die Klagen mehrerer Gewerkschaften gegen die seit rund zwei Jahren geltende Neuregelung weitgehend ab. Die Karlsruher Richter ziehen aber mit einer ganzen Reihe von Vorgaben für die Anwendung des Gesetzes Leitplanken ein. An einer Stelle muss bis spätestens Ende 2018 nachgebessert werden. Anlass für die Neuregelung war ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts von 2010, das verschiedene Tarifverträge nebeneinander möglich machte.

Die Bundesregierung wollte mit dem 2015 in Kraft getretenen TEG die Macht kleiner Gewerkschaften in einem Betrieb einschränken. Vertreten zwei Gewerkschaften in einem Betrieb dieselben Berufsgruppen, soll nach dem neuen Gesetz nur noch der Tarifvertrag der Gewerkschaft mit den meisten Mitgliedern gelten. Auf diese Weise soll verhindert werden, dass eine Gewerkschaft, die zwar klein ist, aber eine Berufsgruppe mit einer Schlüsselposition in einem Betrieb vertritt, mit einem Streik Unternehmen lahmlegen kann. In der Vergangenheit war dies beispielsweise bei Streiks der Gewerkschaft der Lokomotivführer der Fall gewesen.

Gerade Spartengewerkschaften wie die Ärztegewerkschaft Marburger Bund befürchten, dass ihnen mit der Tarifeinheit die Mitglieder davonlaufen. Ihre Begründung: Wenn nur noch der Tarifvertrag der größeren Gewerkschaft zur Anwendung kommt, werden kleine Gewerkschaften überflüssig. Derzeit handeln für die Beschäftigten in Krankenhäusern sowohl die DGB-Gewerkschaft ver.di wie auch der Marburger Bund Tarifverträge aus.

Gegen das TEG erhoben insgesamt elf Gewerkschaften Verfassungsbeschwerde, da sie ihr Recht auf Koalitionsfreiheit verletzt sahen. Das Bundesverfassungsgericht nahm fünf Beschwerden zur Entscheidung an, darunter die des Marburger Bundes, der Pilotenvereinigung Cockpit, der Beamtengewerkschaft dbb und von der Gewerkschaft ver.di.

Nahles hat das Urteil unterdessen begrüßt. Das Gesetz stärke die solidarische Interessenvertretung durch die Gewerkschaften, erklärte sie. Der dbb Bundesvorsitzende Klaus Dauderstädt dagegen bezeichnete die Entscheidung als »schwer nachvollziehbar«. Auch die Vereinigung Cockpit (VC) äußerte Bedenken. »Der Senat hat die unbegrenzte Verdrängung von Tarifverträgen zu Recht als verfassungswidrig bewertet. Dennoch sind wir von dem Urteil insgesamt enttäuscht, da das Gesetz weiterhin in Kraft bleibt. Kleinere Gewerkschaften bleiben durch das Tarifeinheitsgesetz bedroht. Minderheiten können sich nicht von der Gewerkschaft vertreten lassen, für die sie sich frei entschieden haben«, erklärte Gewerkschaftschef Ilja Schulz. Positiv bewerte VC, dass die Richter das Streikrecht der kleinen Gewerkschaften bestätigten. Agenturen/nd

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