Ehefrau mit einem einseitigen Vertrag über den Tisch gezogen
Ehevertrag
So hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 15. März 2017 (Az. XII ZB 109/16) einen Ehevertrag aufgelöst, bei dem diese Grenze überschritten war.
1993 hatte ein Unternehmersohn eine Bürokauffrau geheiratet. Nach der Heirat arbeitete sie sporadisch als Teilzeitsekretärin im Familienunternehmen mit. Im Dezember 1995 brachte die Frau eine Tochter zur Welt.
Drei Wochen später überraschte der Ehemann seine Angetraute mit einem Ehevertrag, den sie Knall auf Fall unterschreiben sollte. Bei einer eventuellen Scheidung sollte die Frau nichts erben, auf nachehelichen Unterhalt, auf Zugewinn- und Versorgungsausgleich verzichten. Nur Betreuungsunterhalt sollte sie vorübergehend erhalten, falls gemeinsame Kinder zu versorgen wären.
Den Ehevertrag hatte die Mutter des Mannes gefordert, der das Familienunternehmen gehörte. Sie wollte dem Sohn nur unter dieser Bedingung Geschäftsanteile übertragen und ihn zum Mitunternehmer machen.
Bei der Ehefrau wurde 1997 Multiple Sklerose diagnostiziert. Sie ist inzwischen zu 100 Prozent schwerbehindert und bezieht seit 2008 eine Erwerbsminderungsrente von 777 Euro im Monat. 2011 trennte sich das Paar, 2014 wurde die Ehe geschieden.
Im Scheidungsverfahren forderte die Frau Unterhalt: Der Ehevertrag sei unwirksam, denn ihr Mann habe sie über den Tisch gezogen.
So sah es auch der Bundesgerichtshof. Die Krankheit der Frau spiele dabei allerdings keine Rolle: Dass sie wegen Multipler Sklerose unterhaltsbedürftig werden würde, sei zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht absehbar gewesen.
Ein Ehevertrag sei auch nicht automatisch sittenwidrig, wenn er zum Nachteil eines Partners den Zugewinnausgleich, Versorgungsausgleich und nachehelichen Unterhalt ausschließe, betonten die BGH-Richter. Das sei vielleicht moralisch fragwürdig, aber rechtlich zulässig.
Im konkreten Fall spreche allerdings das »Gesamtbild« für Sittenwidrigkeit. Der Unternehmer habe seine wirtschaftliche und soziale Überlegenheit ausgenutzt, um die Frau zu einem umfassenden Verzicht zu drängen. Anders als bei einem Verzicht vor der Heirat habe die Frau hier auf alle - durch die Ehe bereits - bestehenden Rechte verzichtet, ohne dass ihr dafür irgendeine Kompensation, zum Beispiel in Form von Alterssicherung, zugestanden wurde.
Den Vertrag habe die Familie des Mannes ausgearbeitet. Die Ehefrau sei in keiner Weise einbezogen worden. Sie habe ihn vor ihrer Unterschrift nicht einmal gelesen und widerstandslos einem Totalverzicht zugestimmt. Der Vertrag spiegle die überlegene Verhandlungsposition des Ehemannes wider und benachteilige die Ehefrau in krasser Weise. Daher sei der vereinbarte Verzicht auf nachehelichen Unterhalt und Versorgungsausgleich nichtig, so der BGH. OnlineUrteile.de
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