Polnischer Sejm beschließt Zugriffsrechte auf Justiz
Richterwahl im Landesrichterrat gerät damit unter Kontrolle der PiS-Mehrheit / EU-Parlamentarier fordern Konsequenzen
Warschau. Polens Rechtsregierung hat eine umstrittene Justizreform vorangetrieben, mit der sie Kritikern zufolge Einfluss auf die Richterwahl in dem Land nehmen will. Das Parlament, in dem die nationalkonservative Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) die absolute Mehrheit hat, nahm am Mittwoch einen Gesetzentwurf an, der Änderungen bei der Zusammensetzung des Landesrichterrats (KRS) vorsieht, eines Verfassungsorgans zur Wahrung der Unabhängigkeit von Polens Justiz.
Seine 25 Mitglieder - Juristen und Parlamentarier - wählen einige von Polens Richter. Die Reform, die noch vom Senat verabschiedet werden muss, sieht nun unter anderem ein vorzeitiges Ende der Amtszeit der derzeit amtierenden Personen und eine anschließende Neubesetzung der Ratsposten vor. Die Amtszeit der Landesrichterräte soll bereits 30 Tage nach Inkrafttreten des Gesetzes auslaufen. Dies wird von der Opposition scharf kritisiert. Ihrer Ansicht nach verstößt die Verkürzung der Amtszeit gegen die Verfassung. Die Nationalkonservativen bestreiten diesen Vorwurf.
Nach dem Parlamentsvotum in Polen wird aus dem Europaparlament die Forderung nach Konsequenzen laut. »Es gibt in Polen keine unabhängige und unparteiische Justiz mehr - eine Situation, die mit den EU-Verträgen eindeutig nicht vereinbar ist«, schrieb der Liberalen-Fraktionschef Guy Verhofstadt am Donnerstag auf Facebook. »Es ist Zeit, dass die Europäische Kommission und der Europäische Rat handeln - es muss Konsequenzen geben.«
Der Menschenrechtskommissar des Europarats, Nils Muižnieks, hatte schon während des Gesetzgebungsverfahrens die Sorge geäußert, das Gesetz könne die Gewaltenteilung und Unabhängigkeit der Justiz gefährden. Wegen umstrittener Eingriffe in die Justiz haben Polens Nationalkonservative bereits Ärger mit der EU-Kommission. Brüssel sieht die Unabhängigkeit des Verfassungsgerichts nach einer Reform 2015 eingeschränkt und führt ein Rechtsstaatsverfahren gegen das Land. Um dieses ist es allerdings in den letzten Monaten ruhig geworden – etwaige Sanktionen müssetn letztendlich einstimmig, das heißt auch mit der Stimme Polens verabschiedet werden. dpa/nd
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