Journalist oder Schatten?

Immer neue Fragen im G20-Akkreditierungsskandal

  • Uwe Kalbe
  • Lesedauer: 4 Min.

Empört erhob sich Wolfgang Bosbach aus seinem Sessel beim »Maischberger«-Talk am Donnerstagabend im Ersten und verließ die Sendung. Die Ökolinke Jutta Ditfurth hatte ihn zur Weißglut getrieben mit ihrer Kritik an der Polizei auf dem G20-Gipfeltreffen. Demonstranten seien Grundrechte entzogen worden, hatte sie deutlich gemacht.

Mit dieser Einschätzung ist sie trotz Bosbachs Empörung und der allgemeinen Neigung in der öffentlichen Debatte, die Ausschreitungen von Randalierern mit dem Protest aller anderen Gipfelgegner gleichzusetzen, nicht ganz allein. So hat die Hamburger Arbeitsgemeinschaft für Strafverteidiger in einer Erklärung kritisiert, die Polizei habe rechtsstaatliche Standards nicht beachtet, Kontakt zu Rechtsanwälten verhindert und ihre Gespräche optisch überwacht, Anwälte seien durchsucht worden. Festgenommene wurden demnach entwürdigend behandelt, hätten sich teilweise entkleiden müssen und seien Gerichten mit erheblicher Verzögerung vorgeführt worden.

Die demonstrative Härte im Vorgehen der Behörden gegen die G20-Gegner findet ihr Pendant womöglich im Umgang mit 32 Journalisten, die vom Gipfel ausgeschlossen wurden. Fragen der Betroffenen wie der Berufsverbände, aber auch aus der Politik nach den Gründen, warum ihnen die bereits erteilte Akkreditierung entzogen wurde, sind bisher unbeantwortet geblieben. Auch Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) forderte inzwischen, die Vorwürfe gründlich aufzuklären, denn: »Die Pressefreiheit ist ein sehr hohes Gut.« Nach den sparsamen und halbherzigen Mitteilungen des Bundespresseamtes und des Bundeskriminalamtes, die über die Akkreditierungen zu entscheiden hatten, wird der Aufklärungsbedarf bisher nur noch dringlicher. Wenn etwa die Sicherheit des Gipfels und seiner Teilnehmer ins Feld geführt werden. Dies tat am Donnerstag auch Bundesinnenministerr Thomas de Maizière (CDU). »Alleiniger Grund für die Entscheidungen war es, die Sicherheit des Gipfels und seiner Teilnehmer zu gewährleisten«, sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Die Entscheidung des BKA sei »nicht ohne Sorgfalt« getroffen worden. »Die Gründe waren nicht unerheblicher Art.«

Auch der Minister dementierte, wie zuvor schon der Sprecher der Bundesregierung, den Einfluss ausländischer Geheimdienste auf die Aussperrung. Dass sich auch das Parlamentarische Kontrollgremium in seiner nächsten Sitzung mit dieser Frage beschäftigen müsse, ist für dessen stellvertretenden Vorsitzenden André Hahn (LINKE) jedenfalls trotzdem ausgemacht. Aufgabe des Gremiums ist die Kontrolle der deutschen Geheimdienste, also der Partner türkischer Stellen in einer solchen Situation. Es wäre ja ein »absolutes Unding«, wenn Akkreditierungen aufgrund von Hinweisen türkischer Dienste entzogen worden wären, sagte Hahn dem »nd«. Die nächste reguläre Sitzung findet allerdings erst am 4. September statt.

Was für den Bundesinnenminister bereits feststeht, wird also gleichwohl nicht als »erledigt« zu den Akten gelegt werden können. Auch deshalb, weil jede neue offizielle Erklärung nur neue Fragen aufwirft. Zum Beispiel die Bemerkung von Regierungssprecher Steffen Seibert, dass sich die 32 Journalisten in den Sicherheitsbereichen des Gipfeltreffens ohnehin nur in »Begleitung« durch BKA-Beamte hätten bewegen dürfen. Das sei »gängige Praxis«. Die »Süddeutsche Zeitung« zitiert einen Sprecher des Bundesinnenministeriums mit den Worten: Nein, neue Erkenntnisse über diese 32 Journalisten habe man dann nicht plötzlich erhalten, »sondern über die Verhältnisse«. Das heißt dann wohl, dass die Entscheidung aufgrund einer veränderten Lage korrigiert wurde. Die »Süddeutsche« weiter: »Die BKA-Sicherheitsleute hätten einsehen müssen, dass sie die Eins-zu-eins-Überwachung verdächtiger Journalisten nicht würden leisten können, also schloss man diese eben ganz aus.«

Eine Eins-zu-eins-Überwachung? Da so etwas unter Journalisten kein bekanntes Verfahren ist, heißt das dann wohl, dass die »Begleitung« eine Beschattung war. Die »dauernde Überwachung« von Journalisten sei ein krasser Verstoß gegen die Pressefreiheit, ließ sich der Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbandes, Frank Überall, vernehmen.

Mindestens seit dem G8-Gipfel in Heiligendamm würden Journalisten, gegen die es Sicherheitsbedenken gebe, von Polizisten »beaufsichtigt«, schreibt die »Süddeutsche« unter Berufung auf Sicherheitskreise. Das Vorgehen habe den Sinn, die Anwesenheit auch solcher Journalisten zu ermöglichen, die »etwas auf dem Kerbholz« hätten. Das dürfte nun die betroffenen Journalisten von Hamburg erst recht interessieren.

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