G20-Diskreditierung: »Wir sind gebrandmarkt, wir 32«

Eine nd-Redakteurin zur Entziehung ihrer Akkreditierung für den G20-Gipfel in Hamburg durch das BKA

  • Elsa Koester
  • Lesedauer: 4 Min.
Erst bewilligt, dann eingezogen: Die Akkreditierung für den G20-Gipfel
Erst bewilligt, dann eingezogen: Die Akkreditierung für den G20-Gipfel

Aha. Das BKA findet also, ich bin zu gefährlich, um das Messegelände während des G20-Gipfels betreten zu dürfen. Die 32 Journalisten, denen die Akkreditierung entzogen wurde, hätten ja ein Transparent entrollen können, heißt es. Oder sogar einen Schuh auf Trump werfen. Ein Sicherheitsrisiko, heißt es, das sie nicht eingehen konnten. Ja, es gebe zwar das hohe Gut der Pressefreiheit. Aber in manchen Fällen sei es erlaubt, diese einzuschränken.

Ich muss zugeben: Dass mir das BKA ernsthaft zutraut, meinen journalistischen Beruf aufs Spiel zu setzen, um dem Mann öffentlich meinen Respekt zu entziehen, der Frauen und Migranten weltweit ihre Rechte nimmt und die Welt durch seinen klimapolitischen Kamikaze-Kurs noch weiter zugrunde richten will – dass mir die Polizei so viel Mut zuschreibt, ehrt mich irgendwie. Auch wenn die Begründung des BKA noch nicht vorliegt, weiß ich natürlich, woran sie diese Einschätzung festmacht. Mein politischer Aktivismus, der meine Biografie bis zu meinem Einstieg in den Journalismus vor zwei Jahren prägte, bestand in vielfältigen Protesten gegen die Auswüchse kapitalistischer Zerstörung – allesamt gewaltfrei, allesamt ungehorsam, allesamt extrem nervig für die Sicherheitsbehörden, weil strafrechtlich nicht anlastbar.

Und ich gebe auch zu, dass ich bis zum Ende des Konzerts in der Elbphilharmonie inständig gehofft habe, eine mutige Violinistin würde aufstehen und ihren Bogen nieder werfen, um in diesem G20-Wahnsinn nicht weiter mitzuspielen. Aber genau darauf beschränkt sich mein Job. Ich beobachte, ich berichte, ich kommentiere, ich ordne es ein, und vielleicht hoffe ich, dass etwas passiert oder nicht passiert, ich ärgere oder freue mich darüber, aber ich tue eines nicht: eingreifen.

Ich bin Journalistin und ich war in Hamburg, um diesen Beruf auszuüben. Deshalb habe ich mich akkreditieren lassen. Ich habe über die Polizei berichtet, die in Entenwerder ein Protestcamp blockierte, das gerichtlich erlaubt worden war. Ich habe Mitglieder der Hamburger Linksfraktion interviewt, ob dieses Vorgehen rechtens war und wie sie die Lage einschätzen. Ich habe ein Gespräch zwischen zwei Polizisten und einem Aktivisten über Adorno aufgeschrieben. Ich habe bei der »Welcome to Hell«-Demonstration die Polizeigewalt dokumentiert, eine Bundestagsabgeordnete dazu interviewt und einen Videokommentar aufgenommen. Ich habe Wasserwerfereinsätze gefilmt und Vermummte, die auf Polizisten Flaschen und Steine warfen. Ich habe die Anfänge der nächtlichen Krawalle fotografiert – und beschlossen, dass mir das zu gefährlich wird, dass ich die Berichterstattung an dieser Stelle lieber anderen überlasse. Dafür habe ich dokumentiert, was die Brutalität auf der Straße bei einigen Männern an Aggression freilegte, und was die Folgen für Frauen waren. Und ich habe am Ende der Woche mit Protestforschern gesprochen, mit Aktivisten, der Polizei und dem Komitee für Grundrechte, um nach der Demo der 80.000 eine erste Einschätzung anbieten zu können.

Ich habe saubere journalistische Arbeit abgeliefert. Dass mich das BKA auf eine Liste mit insgesamt 32 Journalist*innen schreibt, die allesamt dem Generalverdacht unterworfen werden, nicht journalistisch zu arbeiten, ehrt mich also nicht. Diese Liste verletzt nicht nur meinen Stolz, sondern auch meine Berufsfreiheit; ihre Verbreitung verletzt mein Persönlichkeitsrecht. Nur durch meinen Ausweis konnte ich mich frei in Hamburg bewegen, nur er schützte mich vor Einschränkungen und Angriffen seitens der Polizei. Denn, wie mir Kolleg*innen leider berichteten: Der einfache Presseausweis schützte vor all dem in der aufgeladenen Atmosphäre kaum mehr. Der Akkreditierungsausweis garantierte die Pressefreiheit für den Einzelnen. Wir durften uns frei bewegen - weil wir es für unsere Arbeit auch mussten.

»Das tut mir sehr leid«, sagen mir Kolleg*innen, wenn ich ihnen erzähle, dass ich »auf der Liste stehe«. Wir sind gebrandmarkt, wir 32. Uns hängt der Verdacht an, unsauber zu arbeiten. »Äußere dich besser nicht«, sagen sie, »das könnte deinem Ruf schaden.« Also die Klappe halten und diese Kriminalisierung hinnehmen? Und dann wird das gängige Praxis, dann gibt es zwei Klassen von Akkreditierten – die »sicheren«, sauber arbeitenden und »die mit Begleitung«, denen das BKA auf Schritt und Tritt folgt? Nein, es ist immer richtig, gegen Ungerechtigkeiten die Stimme zu erheben, das gilt auch für mich als Journalistin. Zum Glück habe ich eine Redaktionsleitung, die zu mir hält und mich in der Aufklärungsarbeit voll unterstützt. Also sage ich es hier ganz klar: Diese Liste diskreditiert mich und meine journalistische Arbeit zu Unrecht. Ich werde sie nicht akzeptieren, jetzt nicht und auch in Zukunft nicht.

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