Neues Feindbild
Guido Speckmann über de Maizière Anschuldigungen gegen Seenotretter
Lügen haben kurze Beine, heißt es. Doch dass sich Lügen nicht lohnen, gilt offenbar nicht für deutsche Spitzenpolitiker. Als vor etwas mehr als einem Jahr Innenminister Thomas de Maizière beklagte, dass Ärzte Geflüchtete zu oft krankschreiben, musste sein Sprecher zugeben: Es gebe keine Statistiken, die zeigen, wie viele Flüchtlinge aufgrund von ärztlichen Attesten nicht abgeschoben werden können. Größere Proteste blieben aus, der Minister kam nicht ernsthaft in Schwierigkeiten.
Jetzt hat er es erneut probiert. Der CDU-Politiker will von seinem italienischen Kollegen erfahren haben, dass es Schiffe gibt, die in libysche Gewässer fahren und vor dem Strand einen Scheinwerfer einschalten, um den Rettungsschiffen der Schlepper schon mal ein Ziel vorzugeben. Die ins Visier der europäischen Abschottungspolitiker geratenen privaten Seenotretter dementierten umgehend. Völlig haltlos sei das.
De Maizière Angriffe werden sekundiert vom österreichischen Amtskollegen. Der spricht von »selbst ernannten Seenot-Rettern«. Der Wind, der den Hilfsorganisationen auf See entgegenschlägt, wird immer rauer. Jene, die sich nicht damit abfinden, dass die europäische Politik das Mittelmeer zum Massengrab macht, werden zum neuen Feindbild stilisiert. Notfalls auch mit Lügen. Ob de Maizière damit auch dieses Mal durchkommt?
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