Touristikriese TUI bleibt mitbestimmt

Klage eines Kleinaktionärs scheitert vor dem EuGH

  • Nelli Tügel
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat am Dienstag entschieden, dass das deutsche Mitbestimmungsgesetz nicht gegen Europarecht verstößt. Damit urteilte der EuGH in einem seit 2015 anhängigen Verfahren.

Die Ausgangssituation war folgende: Beim deutschen Touristikkonzern TUI arbeiten fast 70 000 Beschäftigte, 80 Prozent davon in einem anderen EU-Mitgliedstaat. Dennoch werden nach den Prinzipien der deutschen Mitbestimmung Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat entsendet. Mitwählen dürfen alle in Deutschland tätigen TUI-Arbeitnehmer. Die Beschäftigten in anderen EU-Staaten hingegen bleiben außen vor. Sowohl für die Größe als auch für die Zusammensetzung des Aufsichtsrates zählen sie nicht mit - und können weder aktiv noch passiv an den Wahlen teilnehmen.

Der Berliner Unternehmer Konrad Erzberger strengte - nachdem er bei der Hornbach Baumarkt AG und dem Handelskonzern BayWa AG damit gescheitert war - ein Verfahren in Sachen TUI an. Dafür kaufte er einige Aktien und erwarb damit das Recht, die Zusammensetzung des Aufsichtsrats gerichtlich überprüfen zu lassen. Im Herbst 2015 wurde der Fall vom Berliner Kammergericht an den EuGH zur Klärung übergeben. Es sei »vorstellbar«, so die Richter des Kammergerichts damals, »dass Arbeitnehmer durch die deutschen Mitbestimmungsregelungen aus Gründen der Staatsangehörigkeit diskriminiert werden« und ihre Freizügigkeit verletzt werde.

Der EuGH entschied nun, dass dies nicht der Fall und die Mitbestimmung uneingeschränkt europarechtskonform sei. Gewerkschaften und auch die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände hatten im Vorfeld befürchtet, ein Urteil gegen die deutsche Mitbestimmung könnte die Sozialpartnerschaft in Frage stellen, und hatten die Klage scharf kritisiert. Der Politikwissenschaftler Martin Höpner vom Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung nannte das Verfahren »eine Kampfansage an die deutsche Mitbestimmung«.

Hätte der EuGH eine Diskriminierung gesehen, wäre TUI verpflichtet gewesen, diese abzustellen und die Mitarbeiter aller Unternehmensteile an den Wahlen zum Aufsichtsrat zu beteiligen. Allerdings kann das deutsche Mitbestimmungsgesetz nicht ohne Weiteres in anderen EU-Staaten durchgesetzt werden. Unter Umständen hätten dann die Arbeitnehmervertreter komplett aus dem Aufsichtsrat entfernt werden müssen. Dass dieses Szenario abgewendet wurde, stieß bei Gewerkschaften und BDA auf Zustimmung. Auch Jutta Krellmann, gewerkschaftspolitische Sprecherin der LINKEN im Bundestag, äußerte sich erfreut: »Der EuGH hat die Mitbestimmungsrechte deutscher Beschäftigter in transnationalen Unternehmen bestätigt. Damit ist die Strategie der ewigen Feinde der Mitbestimmung, diese in Deutschland über den Umweg Europa zu schwächen, fehlgeschlagen«, so Krellmann.

Antragsgegnerin war die TUI AG, die wie auch die Arbeitnehmervertreter im TUI-Aufsichtsrat und mehrere EU-Mitgliedstaaten die Argumentation des Klägers ablehnt. Die EU-Kommission hatte die Klage zunächst unterstützt, dann ihre Haltung geändert und sich bei einer Anhörung vor dem EuGH im Januar 2017 für die Mitbestimmung ausgesprochen. Dort hatten außerdem neben der Bundesrepublik auch Frankreich, Luxemburg, Österreich und die Niederlande Stellungnahmen abgegeben. Sie wären von einem Urteil zuungunsten der Mitbestimmung ebenfalls betroffen gewesen.

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