G20-Foto zeigt: Unser Klima wird von Männern beherrscht
Eva Bulling-Schröter über die Verantwortlichen des Klimawandels - und die Frauen, die seine Folgen am stärksten tragen müssen
Ein Blick auf das »Familienfoto« des G20-Gipfels in Hamburg reicht aus, um zu sehen: Unsere Welt wird weiter von Männern beherrscht. Nur zwei Frauen sind in den 19 Staaten der »Gruppe der Zwanziger« an der Macht. Und auch die Europäische Union wird seit ihrer Gründung ausschließlich von Politikern geleitet. Dabei sind gerade Klimawandel und Umweltschutz ganz besondere Fragen der Geschlechtergerechtigkeit.
Wie das? Die Folgen der Erderwärmung sind mannigfaltig, doch vor allem verursacht von Männern. Studien belegen, dass der CO2-Fußabdruck von Männern wegen ihres höheren Einkommens und Vermögens den der Frauen übersteigt. In Deutschland verdienen Frauen bei gleicher Qualifikation durchschnittlich 21 Prozent weniger als Männer und bilden mit 65 Prozent die größte Gruppe im Niedriglohnsektor. Aber auch die Verantwortlichen in den Konzernen sind vor allem: Männer. Für Großbritannien liegen Zahlen über die Gender-Lücke in den Aufsichtsräten der Energiefirmen vor. In den 100 größten fossilen Strom- und Wärmeunternehmen, die mit dem Verbrennen von Öl und Gas die privaten Gewinne einfahren, also dem Wirtschaftszweig mit dem schmutzigen Mammutanteil am Klimawandel, haben zu 93 Prozent Männer das Sagen. Bei Erneuerbaren-Firmen gibt es auf der Insel immerhin einen Frauenanteil von 17 Prozent.
Die Rechnung für den männergetriebenen Raubbau an der Natur zahlen dabei die Frauen. Naturkatastrophen sind weibliche Katastrophen, regelmäßig sterben bei Erdbeben, Fluten oder Tornados mehr Frauen als Männer. Beim Zyklon Nargis 2008 waren 61 Prozent der Opfer weiblich. 2004 bei einem Tsunami im Indischen Ozean waren 70 bis 80 Prozent der Ertrunkenen Frauen. Bei einem Zyklon in Bangladesch Anfang der Neunziger schlug der vorzeitige Tod sogar zu 91 Prozent beim »anderen Geschlecht« zu. Der Hurrikane Katrina, der 2005 die US-Stadt New Orleans fast dem Erdboden gleich machte, wurden fast zu 80 Prozent Frauen obdachlos, obwohl sie 54 Prozent der Bevölkerung ausmachen.
Nach Krisen durch das, was die Klimawissenschaftler als »klimawandelbedingte Zunahme von Extremwetterereignissen« bezeichnen, werden Frauen Studien zufolge dramatisch häufiger sexuellen Belästigungen von Männern ausgesetzt. Im Jahr nach Katrina wurden fast vier Mal so viele Frauen missbraucht als in den Vorjahren. Auch in anderen Krisensituationen steigt die sexuelle Gewalt gegen Frauen und Mädchen, etwa bei Flucht wegen Dürren oder Nahrungsmittelkrisen. Weil Frauen in den Ländern des globalen Südens für das Wasserholen zuständig sind, werden sie häufiger krank, weil Moskito-Populationen wegen der steigenden Temperaturen explodieren. Und bei Hungersnöten sind es erst Männer und Jungen, die in den halbvollen Topf langen, und dann erst ihre Frauen und Schwestern.
Und so wundert es nicht, dass Meinungsforscher herausgefunden haben, dass Frauen das Problem des Klimawandels viel ernster nehmen als ihre männlichen Zeitgenossen. Auch ihr Alltagshandeln sei umweltfreundlicher, so die Wissenschaft, vielleicht weil Mädchen eher zu Mitmenschlichkeit und Helfen erzogen werden als Männer. Vielleicht weil sie spüren, dass sie die Last der geknechteten Mutter Erde auf ihren Schultern tragen. Wird die Welt besser mit Frauen an der Macht? In den Bundestagsfraktionen sind alle Klimapolitiker Frauen (bis auf die SPD, die Partei stellt die Umweltministerin). Frauen wie Kanzlerin Angela Merkel verhindern seit Jahren eine 50-50-Frauenquote in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft und echte Lohngleichheit. Aber bis dahin ist es noch ein weiter Weg! Und: Es ist dem Kapitalismus egal, wer für das Kapital regiert. Linke Klima- und Geschlechterpolitik ruft darum: system change, not climate change!
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