Inklusion ja, Bevorzugung nein!

Nach seinem WM-Sieg in London stimmt Paralympics-Kugelstoßer Niko Kappel nachdenkliche Töne an

  • Ulrike Weinrich
  • Lesedauer: 3 Min.

Nach Gold bei den Paralympics in Rio 2016 haben Sie sich auch den Traum vom WM-Titel mit Weltrekordweite erfüllt. Wie erleichtert sind Sie?
Weltmeister? Das hört sich schon super an, das hatte ich bis jetzt ja noch nicht. Mir war es wichtig, dass ich meine Leistung zeigen kann. Das ist mir gut gelungen. Ich habe jetzt schon wieder Bock auf die nächste Saison.

Nach Ihrem Triumph in Rio waren Sie öffentlich sehr präsent. Sie wurden in Talkshows eingeladen und haben Vorträge gehalten. Was kommt jetzt nach London?
Ich hoffe, dass es ungebrochen so weiter geht. Mein Ziel ist es, dass unser Sport nicht nur bei den Paralympics im Blickpunkt steht, und danach wird es wieder still. Daran müssen wir Athleten arbeiten, wir müssen uns zeigen. Wir brauchen uns nicht zu verstecken.

Zur Person

Niko Kappel hat sich gut zehn Monate nach einem Paralympics-Triumph von Rio auch erstmals zum Weltmeister gekrönt. Der 22-Jährige aus Sindelfingen gewann das Kugelstoßen bei der Para-Leichtathletik-WM in London mit Weltrekordweite von 13,81 m und verwies Lokalmatador Kyron Duke deutlich auf den zweiten Platz.

Sie trainieren im Alltag in einer integrativen Gruppe mit Coach Peter Salzer sowie unter anderem Tobias Dahm und Lena Urbaniak. Wie wichtig ist das in punkto Inklusion?
Inklusion bedeutet für mich, dass innerhalb der Gruppe eine Gleichstellung auf Augenhöhe stattfindet. Und es ist toll, wenn man auch als Handicap-Sportler die Leute begeistern kann.

In Deutschland wird dieser Tage viel über das Thema Inklusion gesprochen. Wie beobachten Sie diese Diskussion?
Ich habe das Gefühl, dass Inklusion auch immer ein bisschen an denen scheitert, die davon betroffen sind. Wenn ich sehe, was ich als Kleinwüchsiger alles für Vorteile haben könnte, das ist für mich keine Gleichstellung. Egal, ob es im Berufsleben ist oder im Sport. Leider sehe ich in der Inklusion eine zunehmend falsche Entwicklung, nämlich eine hin zur Bevorzugung.

Haben Sie dafür ein Beispiel parat?
Neulich stand ich am Flughafen in Berlin vor der Sicherheitsschleuse. Da kam ein Rollstuhlfahrer von hinten und ist komplett an der Schlange vorbeigerollt. Keiner von den 40 Leuten hat etwas gesagt. Und wenn nur einer von ihnen Personalverantwortung in einer Firma hat, dann wird er beim nächsten Einstellungsgespräch mit einem Rollstuhlfahrer genau dieses Bild vor Augen haben: Rollstuhlfahrer bedeutet Sonderposition. Er wird sich keinen Moment darauf konzentrieren, was dieser Mensch intellektuell drauf hat. Aber es sollte eigentlich nur darum gehen, ob einer für den Job geeignet ist - oder eben nicht.

Sie sitzen für die CDU im Gemeinderat von Welzheim. Wie weit gehen Ihre politischen Ambitionen?
Das muss man mal sehen. Das Arbeiten im Gemeinderat macht aber großen Spaß. Am vergangenen Dienstag hatten wir Sitzung, da war ich aber schon in London. Ich hoffe, meine Fraktions- und Ratskollegen verzeihen mir und sind zufrieden mit der Goldmedaille. SID/nd

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