Merkel wird weiterzuzeln

Gabriele Oertel über einen möglichen Austritt Bayern aus der bundesdeutschen Großküche

  • Gabriele Oertel
  • Lesedauer: 3 Min.

Von wegen, es gibt keine guten Nachrichten mehr. Erst in dieser Woche erreichte uns die frohe Kunde, dass jeder dritte Bayer sich für die Unabhängigkeit von Deutschland ausspricht. Das gibt doch Hoffnung, dass tatsächlich irgendwann das Fingerhakeln zwischen dem Süden und dem Rest der Republik, das archaische Armdrücken zwischen der ewigen Kanzlerin und dem nervenden Quälgeist aus der Münchner Staatskanzlei ihr Ende finden - und damit die seit Jahrzehnten dauernde und nicht ganz faire Fraktionsgemeinschaft zwischen CDU und CSU Geschichte wird. Die Bayern sollten es jedenfalls endlich wagen und wie die Briten beim Brexit halten: Sie setzen einfach eine der von ihnen favorisierten Volksabstimmungen an. Jene, die die Sezession nicht wollen, bleiben daheim, und die Separatisten erobern glatt die Mehrheit.

Eine solche Trennung muss durchaus nicht heißen, dass man im zurückgebliebenen Rest des Landes auf alle bayerischen Errungenschaften wie die berühmte Brotzeit verzichten muss. Da diverse Wies’n-Wirte schon seit Jahren zu Protokoll geben, dass das ursprünglich nur in der heilen weiß-blauen Welt übliche Zuzeln der Weißwurst inzwischen lediglich noch in Preußen betrieben wird, kann man es ja dort beibehalten - auch wenn die Anhänger der ekligen Angelegenheit längst zu mitteleuropäischer Tischkultur zurückgefunden haben.

Angela Merkel zum Beispiel wird das genüssliche Aussaugen ganz gewiss nicht sein lassen. Es hat ihr in den zwölf Jahren ihrer Regentschaft schließlich nicht nur Obama gewogen, sondern stets Appetit auf mehr gemacht. In der ersten Großen Koalition zwischen 2005 und 2009 hat sie die Sozis so lustvoll ausgelutscht, dass von ihnen nur noch die unansehnliche, leichenblasse Haut zurückblieb. In den folgenden vier Jahren hat sie die Würstchen von der FDP ganz und gar über den Tellerrand befördert. Und seit 2013 stürzt sie sich wieder mit Riesenappetit auf die Genossen. Als ihr von denen vor ein paar Monaten eine besonders prall gefüllte rosa schimmernde Weißwurst vorgesetzt wurde, ließ sie die einfach samt feurigem Senf so lange liegen, bis sie von selbst auf das übliche Maß geschrumpelt war.

Jetzt, so scheint es, könnten die Liberalen wieder auf den Speiseplan kommen. Aber vielleicht hat Merkel inzwischen die sich immer wiederholenden Gewürzmischungen auch satt und will lieber ein paar Brühwürstchen mit frischen Kräutern zuzeln. Dann könnte sie sich irgendwann satt und zufrieden vom Tisch erheben - und wie im Märchen einen Gürtel sticken lassen: Drei auf einen Streich. Die Bayern aber, die stets gern ihre Gegner verfrühstückt haben, würden nur noch hinter der Grenze ohnmächtig und hungrig rufen können: Wer hat’s erfunden?

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