Warschau ist weit

Stephan Fischer über die Proteste in Polen gegen die Justizgesetze

  • Lesedauer: 2 Min.

Die Bilder Hunderttausender Polen auf den Straßen, nur mit Kerzen bewaffnete Verteidiger des Rechtsstaatsprinzips der Gewaltenteilung, beeindrucken. Sie sollten aber nicht täuschen: Die Demonstranten sind noch keine kritische Masse für die regierende PiS. Und sie werden den Totalumbau der Justiz nicht stoppen.

Die Bilder zeigen auch einen immer offener zutage tretenden Zentrum-Peripherie-Konflikt, wie er nicht nur in Polen zu beobachten ist. Es gibt große Demonstrationen in den wirtschaftlich und kulturell prosperierenden Zentren: Warschau, Kraków, Poznań. Es gibt solche Bilder nicht aus Kleinstädten oder gar vom Land. Die PiS ist eine Partei der Peripherie, die Liberalität großer Städte ist ihr traditionell suspekt. Denn wahr ist auch: Kleinere Städte und Dörfer wurden nach 1989 in Polen abgehängt. Ein Sinnbild hierfür mag das radikal geschrumpfte polnische Eisenbahnnetz sein: Die großen Städte sind verbunden, stillgelegte Strecken in der Fläche verrotten. Und so ist nicht nur der Weg in die Städte für viele länger und mühsamer geworden, auch der kulturelle und geistige Abstand wuchs. Warszawa jest daleko - Warschau ist weit. Und Gewaltenteilung nur ein abstraktes Prinzip.

Alle Polen haben viel zu verlieren. Aber viele haben die Freiheit, für die in Städten demonstriert wird, vor allem als wirtschaftliche Unsicherheit oder gar Verarmung erlebt. Für Eliten wie Richter haben sie nichts übrig. Sie bleiben passiv - und die Masse für die PiS wird nicht kritisch.

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