Autokratische Eskalation
Tom Strohschneider kritisiert, dass rechtspolitische Maßstäbe nicht an den eigenen Laden angelegt werden
In Zeiten allfälliger autokratischer Eskalation hat die Debatte hierzulande eine außenpolitische Schlagseite. Man kann das wörtlich nehmen - auch in der innenpolitischen Auseinandersetzung zählen die verbalen Hiebe, mit denen der wachsende Rechtsstaatsnihilismus anderswo kritisiert wird. Ob es um Polen geht oder die Türkei, ob um die USA, Russland oder Ungarn: Die Kritik ist nicht nur berechtigt, sondern dringend nötig. Weil dort verfassungspolitische und juristische Maßstäbe dem Willen politischer Herrschaft geopfert werden. Nun ist es mit Maßstäben aber so, dass sie nur dann als solche gelten können, wenn sie überall gleichermaßen angelegt sind - also auch an den eigenen Laden. Wie sieht es da aus?
Zum Beispiel so: Eines jeden elektronische Kommunikation kann ohne großartige Eingriffsvoraussetzungen ausgespäht werden; das Zeugnisverweigerungsrecht wird mal eben durchlöchert; in Bayern wird eine unbegrenzte Haft eingeführt; und wer sich einer Rempelei eines Polizisten nicht schnell genug entziehen kann, wird künftig den verschärften Regeln wegen »Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte« unterworfen. Das sind nur einige jüngere Beispiele, da summiert sich etwas, das von einer Öffentlichkeit teils kaum noch vernommen wird - wohl auch, weil sie von lautstarker Empörung über Missstände anderswo abgelenkt ist.
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