Die Weltmeisterschaft verspielt

Nach der Niederlage gegen Belgien verpassen die deutschen Volleyballer die WM - und wollen eine neue Ära starten

  • Martin Moravec, Kortrijk
  • Lesedauer: 3 Min.

Das krachende Aus der deutschen Volleyballer für die WM 2018 gefiel Verbandschef Thomas Krohne ganz und gar nicht. Vor den Augen seines nach Kortrijk gereisten Präsidenten verpasste der Sensationsdritte von 2014 erstmals seit 2002 wieder eine WM. Die Klatsche gegen Qualifikationsgastgeber Belgien um den früheren Nationaltrainer Vital Heynen am Samstag besiegelte den Imageschaden der Deutschen und ließ Krohne mit Gesprächsbedarf zurück.

In Sichtweite des Bahnhofs in dem beschaulichen Städtchen stellte Heynens Nachfolger Andrea Giani indes schon einmal die Weichen für die EM vom 24. August bis 3. September in Polen. Georg Grozer, der aus familiären Gründen die Reise nach Westflandern nicht mitgemacht hatte, kehrt in den Kader zurück. »Georg ist ein Energiebündel, er ist so diszipliniert, er treibt sich und die anderen an, er fordert von sich und den anderen 100 Prozent«, sagte Giani im Mannschaftshotel noch vor dem K.o. über den Diagonalangreifer von VC Nowosibirsk.

Giani hat den Deutschen einen Systemwandel verordnet - und damit tut sich die Mannschaft um Kapitän Lukas Kampa extrem schwer. Ließ Heynen einen eher auf Sicherheit bedachten Volleyball spielen, fordert sein Nachfolger viel mehr Risiko und Aggressivität in der Offensive. Und das geht mit Ausnahmen regelmäßig schief.

»Spiele kann man nicht gewinnen, wenn man nur Fehler nach Fehler nach Fehler macht. Das müssen wir schnell lernen«, mäkelte Kampa, dessen Team schon mit der Auftaktblamage gegen Spanien die WM auf's Spiel gesetzt hatte. Der Zuspieler erkennt aber Parallelen zu Heynens Start in Deutschland. »Die Anfangszeit mit Vital war unglaublich schwierig, die Zeit jetzt ist auch schwierig. Der neue Stil ist aggressiver, etwas risikobehafteter und da müssen wir uns erstmal austarieren«, erläuterte Kampa die Unterschiede. »Ich sehe aber absolut das Potenzial, dass wir uns dahin entwickeln können.«

Ohne Frage - das wird sehr schwer. Giani erbittet Zeit und Geduld. Während er aber seinem vorherigen Team Slowenien über mehrere Monate am Stück sein System einimpfen konnte, das 2015 sogar zu EM-Silber führte, hat er diese langen Phasen konzentrierter Zusammenarbeit mit den Deutschen auch aufgrund personeller Fluktuation nicht. In Belgien konnte sich zumindest Diagonalmann Simon Hirsch in den Vordergrund spielen. Für das WM-Ticket reichte es dennoch nicht.

»Es ist natürlich enttäuschend, dass wir uns nicht für die WM qualifiziert haben, weil es für ein Land wie Deutschland wichtig ist, bei solchen Turnieren dabei zu sein. Aber ich möchte jetzt nach vorne schauen und eine neue Ära starten«, betonte Giani. »Wir haben eine andere Mannschaft als noch vor zwei Jahren. Unser Niveau ist derzeit nicht hoch, sondern niedrig. Das ist aber kein Problem, weil wir gemeinsam wachsen und uns entwickeln wollen. Wir haben Zeit.«

Verbandschef Krohne glaubt fest an seinen neuen Coach. »Grundsätzlich sind wir äußerst zufrieden mit der Arbeit von Andrea Giani, weil er eine menschlich-charakterliche Ausstrahlung hat, die überzeugt, die die Mannschaft mitreißt, die Respekt hervorruft, und er mit allem, was er tut, seine Kompetenz zum Ausdruck bringt«, erklärte Krohne vor dem Aus für die WM. »Rückschläge gehören wie immer dazu, man muss daraus aber Lehren ziehen.«

Und das will Krohne mit dem Langfristziel Olympia 2020 auf alle Fälle. »Andrea hat eine Vision, der Deutsche Volleyball-Verband und der Vorstand haben eine Vision, insofern werden wir ihm den Rücken stärken und keine überstürzten Entscheidungen treffen«, sagte Krohne weiter. »Bei der EM wollen wir unter die ersten Sechs kommen und dann ist die langfristige Perspektive Tokio. Insofern müssen wir alles genau auf den Prüfstand stellen, analysieren und schauen, was machen wir richtig und was läuft nicht gut.« dpa/nd

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