Auf der Suche nach dem Endlager
Neues Bundesamt will mögliche Standorte für radioaktiven Müll vor Eingriffen schützen
In Regionen, die für den Bau eines Endlagers für hoch radioaktiven Abfall infrage kommen könnten, müssen unterirdische Bau- und Bohrvorhaben künftig auch vom Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit (BfE) gebilligt werden. Nur nach Zustimmung der neuen Atommüll-Superbehörde dürfen die Bundesländer in den betreffenden Gebieten die Erlaubnis etwa für Bergbauprojekte, den Bau von Brunnen oder den Gewinn von Erdwärme erteilen. Die neue Regelung gilt für Tätigkeiten in einer Tiefe ab 100 Metern und tritt bereits Mitte August in Kraft, wie BfE-Präsident Wolfram König am Montag in Berlin mitteilte.
»Es ist eine der ersten Aufgaben, die das neu gegründete BfE als Regulierungsbehörde im Standortauswahlverfahren wahrnehmen wird«, erklärte König. Bei der anstehenden Suche nach einem Endlagerstandort solle kein Ort von vorn herein bestimmt oder ausgeschlossen werden - »auch nicht dadurch, dass beispielsweise durch Tiefenbohrungen ein möglicherweise geeignetes Gesteinsvorkommen für die Endlagerung beeinträchtigt oder gar unbrauchbar wird«. Die Genehmigungsverfahren bei den Länderbehörden zur Sicherung möglicher Standorte schüfen Voraussetzungen für ein faires Verfahren.
Nachdem jahrzehntelang ausschließlich der Salzstock Gorleben als Standort für ein Endlager geprüft worden war, haben Bundesregierung und Bundestag bekanntlich einen Neustart bei der Suche nach einer Atommüllkippe versprochen. Das 2013 verabschiedete und im Mai 2017 nach Empfehlungen einer vom Parlament eingesetzten Expertenkommission novellierte Standortauswahlgesetz sieht vor, Salz-, Ton- und Granitformationen in ganz Deutschland unter die Lupe zu nehmen.
Zunächst sollen mögliche Teilgebiete ermittelt, sodann Standortregionen für eine überirdische Erkundung festgelegt werden. Mindestens zwei Standorte will man anschließend untertägig erkunden und miteinander vergleichen. Der beste - oder vielmehr der am wenigsten untaugliche - Standort wird schließlich ausgewählt. Zu allen Verfahrensschritten gibt es Entscheidungen des Bundestages, gleichzeitig soll die Öffentlichkeit einbezogen werden. Dazu wurden oder werden noch allerlei Gremien ins Leben gerufen, die sich in der Praxis allerdings erst noch bewähren müssen.
Das BfE nimmt in diesem Prozess eine Schlüsselrolle ein: Es reguliert für den Bund die Standortsuche, führt die Aufsicht über das Verfahren und organisiert die Beteiligung der Bevölkerung. Und es bewertet eben auch, inwiefern Bergbauprojekte zugelassen oder abgelehnt werden. Ziel ist laut Standortauswahlgesetz, »Gebiete, die als bestmöglicher Standort für die Endlagerung infrage kommen, vor Veränderungen zu schützen, die ihre Eignung als Endlagerstandort beeinträchtigen können«.
Der gesetzliche Auftrag zur Sicherung möglicher Endlagerstandorte wurde erst in der Schlussphase der parlamentarischen Beratungen zum Standortauswahlgesetz konkretisiert. Er löst die Veränderungssperre ab, die von 2005 bis zum Frühjahr 2017 für den Salzstock Gorleben galt. Sie schrieb fest, dass dort keine Veränderungen vorgenommen werden durften, die dem Bau eines Endlagers entgegenstehen. Nicht zulässig waren dort zum Beispiel Bohrungen nach Öl und Gas und die von Atomkraftgegnern aus dem Wendland beabsichtigte Förderung von Salz.
Umweltschützer waren gegen die nur für Gorleben erlassene Sperre Sturm gelaufen, weil sie darin eine Vorabfestlegung auf diesen Standort sahen. Greenpeace und der Lüchow-Dannenberger Großgrundbesitzer Fried von Bernstorff zogen dagegen vor Gericht, mehrere Instanzen schmetterten ihre Klagen aber ab. Mit der neuen Regelung, die alle potenziellen Standorte betrifft, würden solche Vorfestlegungen ausgeschlossen, argumentierte am Montag BfE-Chef König. Die AKW-Gegner aus dem Wendland sehen Gorleben jedoch nach wie vor in der Favoritenrolle. Schließlich seien große Teile des Salzstocks bereits untersucht und gleich neben dem Salzstock stünden 113 Castorbehälter mit hoch radioaktivem Atommüll in einem Zwischenlager.
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