Lastenfahrräder sind in München groß im Kommen
Bayerns Landeshauptstadt fördert und erprobt alternative Transportfahrzeuge - auch große Unternehmen beteiligen sich
Also los geht’s. Rauf auf das Lastenfahrrad mit seinen drei Rädern - und losgestrampelt. Aber hoppla! Gewöhnungsbedürftig ist das schon. Denn fährt man auf dem Gehweg, neigt sich das Rad zur Seite, wenn sich das Trottoir absenkt. Instinktiv will man mit dem Körper gegenlenken. Und das Kurvenfahren will auch geübt sein. »Beim Dreirad nimmt man jede schiefe Ebene mit«, erklärt Uli Borde. Der gelernte Schmiedemeister betreibt zusammen mit seinem Bruder einen Velo-Laden in Münchens Schleißheimer Straße und beschäftigt sich seit neun Jahren mit Lastenrädern. Und diese Gefährte sind gerade dabei, Bayerns Landeshauptstadt zu erobern. Die Stadt sponsert dies mit bis zu 2000 Euro pro Bürger.
Vor einigen Jahrzehnten gab es die Lastenfahrräder schon einmal - und Borde hat so einen Oldtimer im Laden stehen: Hinten sitzt der Fahrer, vorne ist die Ladefläche, Zuladung bis zu 100 Kilo. Neben dem Oldi stehen die zeitgenössischen Modelle, mit denen sich heute der Großstadtmensch fortbewegt. Da ist zum Beispiel das Nihola Low, ein Fahrrad mit einem runden Behälter vorne dran. Das Ganze sieht ein wenig aus wie ein antiker Streitwagen und kostet rund 2500 Euro.
Schräg gegenüber steht ein Christiana-Lastenfahrrad, vorne mit einer Transportkiste versehen, die einen Viertel Kubikmeter umfasst. Hier muss der Kunde rund 2000 Euro anlegen. Die Firma Nihola kommt aus Dänemark, Christiana aus Schweden. Und beide Länder waren Vorreiter, was Fahrradkultur überhaupt und was Lastenfahrräder speziell anbelangt. Heute gibt es »unendlich viele Hersteller«, sagt Schmiedemeister Borde, und die Varianten sind zahlreich. Da gibt es zum Beispiel ein Lastenfahrrad für den Transport von Rollstühlen oder gar eines mit einer fahrenden Art Litfaßsäule, das »Posterbike«.
Diese Räder sind für die gewerbliche Nutzung gedacht, aber die meisten Lastenfahrräder werden zum Transport von Kindern gekauft. Bei Uli Borde und seinem Bruder macht das 80 Prozent des Geschäftes aus. Auch hier hat man bei Varianten und Modellen eher die Qual der Wahl.
Und dann gibt es noch einen bedeutenden Unterschied: Lastenräder nur mit Pedalkraft und solche mit elektrischem Antrieb. Die heißen dann Pedelecs, der Name entspringt wohl der Kombination von Pedal und Elektrik. Diese Gefährte werden durch Elektromotoren, gespeist mit Batteriestrom, unterstützt, man muss aber immer mittreten - und sie dürfen nicht schneller wie 25 Kilometer pro Stunde fahren. Elektroräder, die schneller sind, müssen wie Mofas ein kleines Kennzeichen haben.
Das Pedelec ist bequem, aber es gibt auch Nachteile. »Man sollte es in einer Garage unterstellen, die Elektronik ist gegen Wind und Wetter noch sehr anfällig«, sagt Fahrradhändler Borde. Und es gibt Nachfolgekosten, irgendwann ist zum Beispiel ein neuer Akku für 600 Euro fällig.
Wie auch immer, im Kampf gegen den Feinstaub und die Blechlawine auf den Straßen unterstützt die Stadt München die Anschaffung von Pedelecs. Mit dem Förderprogramm Elektromobilität »München e-mobil« werden verschiedene Ziele verfolgt: Es geht dabei um die Senkung der Kohlendioxid-Emissionen, um den Schutz vor Feinstaub im Stadtbereich sowie um eine flächendeckende Lärmminderung. Dafür gibt es bei Anschaffung eines Lastenpedelecs ein Viertel der Anschaffungskosten (maximal 1000 Euro) als Förderung. Und weitere 1000 Euro gibt es von der Stadt, wer sein altes Auto zugunsten eines Lastenfahrrads verschrottet.
Doch längst muss man sich nicht mehr ein eigenes Lastenrad kaufen, um umweltschonend Dinge in der Stadt zu transportieren. Seit 2015 kann man sich in München bei den Freien Lastenradlern ein derartiges Transportgefährt kostenlos ausleihen. Mittlerweile stehen neun Räder auf das ganze Stadtgebiet verteilt zur Verfügung. Wie funktioniert’s? Man muss sich auf die website www.freie-lastenradler.de begeben, sich dort registrieren und einen Termin ausmachen, wann man das Lastenrad nutzen will. Dieses kann man auch für mehrere Tage buchen.
Mittlerweile haben fast 500 Münchner dieses Angebot ausprobiert, bundesweit gibt es fast 40 weitere Initiativen und Vereine, die das kostenlose Ausleihen von Lastenrädern ermöglichen. Vorbild war der erste freie Lastenrad-Verleih »Kasimir« in Köln.
Doch eben nicht nur im privaten Bereich sind die Lastendrahtesel inzwischen unterwegs. So steht seit neuestem mitten im Glockenbach-Viertel ein brauner Container des UPS-Paketdienstes. Dort werden die Pakete noch mit normalen Lastwagen angeliefert, doch die Verteilung im Stadtviertel erfolgt nun per Lastenrad. Damit sollen immerhin drei benzingetriebene Zustellfahrzeuge ersetzt werden.
Das Ganze läuft im Rahmen eines Forschungsprojektes mit dem Namen »City2Share«, an dem zehn Projektpartner beteiligt sind, darunter die Landeshauptstadt, BMW, die Stadtwerke, der Carsharing-Anbieter DriveNow und eben UPS. Ziel des Projekts, das einer Zusammenarbeit der Stadt München mit dem Autokonzern BMW entspringt, »ist eine vielfältige Förderung der Elektromobilität und gleichzeitig die Erprobung lokaler Maßnahmen zur Förderung einer stadtverträglichen Mobilität und Verbesserung der Aufenthaltsqualität in den Quartieren«.
Doch das ist nicht das einzige Testfeld in München. Am nordwestlichen Ende der Hackerbrücke steht neuerdings ein sogenanntes »Microdepot«, das Verfahren ist ähnlich: Autokuriere deponieren dort ihr Transportgut, das dann von Fahrradkurieren ausgeliefert wird. Diesmal heißt das Projekt »Civitas Eccentric«. Es soll Lösungen für zukunftsorientierte und umweltfreundliche Mobilität erproben und läuft in mehreren europäischen Städten. Die TU München begleitet das Projekt wissenschaftlich.
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