Wankt der Bremer »Bier-Turm«?
Die Hansestadt laboriert an den Folgen strategischer Konzern-Entscheidungen - sogar das Stichwort Enteignung fällt
Wäre es nicht so ernst, könnten die Querelen um zwei Identität stiftende Firmen Bremens als amüsantes Sommertheater betrachtet werden. Dass es aber ernst ist, zeigt sich an den Reaktionen aus dem Bauressort, dem Wirtschaftsressort und dem Landesamt für Denkmalpflege. Letzteres hat gerade der Weltbrauerei AB Inbev, deren Verwaltungssitz und Produktion der Marke »Beck's« sich mitten in Bremens Innenstadt direkt an der Weser befinden, einen großen Schrecken eingejagt.
Der Brauereikonzern plant, seinen Verwaltungssitz zu verlassen, beteuert aber, die etwa 260 Arbeitsplätze nicht aus der Hansestadt abzuziehen, sondern in direkter Nähe zur Produktionsstätte ein neues Objekt zu suchen. In dem sollen zwecks Effizienz und besserem Zusammengehörigkeitsgefühl die Arbeitsplätze nicht wie im Stammsitz auf acht Etagen verteilt sein. Das bisherige Areal soll verkauft werden.
Doch da meldete sich Georg Skalecki, Bremens oberster Denkmalschützer, zu Wort. Offenbar hält er es nicht für ausgeschlossen, dass ein neuer Eigentümer am Ende Gebäude abreißen lässt. Jedenfalls eröffnete Skalecki dem überraschten Getränkekonzern, er habe das gerade mal vier Jahrzehnte junge »Beck's-Gebäude« auf der Liste der zu schützenden Baudenkmäler.
Das wiederum überraschte auch die hansestädtische Bevölkerung, die seit Entstehen des »Bier-Turms«, dessen Architektur sich durch konsequent strenge, schnörkellose Winkel auszeichnet, gespalten ist. Da gibt es kaum Zwischentöne, sondern nur hehre Begeisterung oder das Gegenteil in Form von Bezeichnungen wie »Schandfleck« oder »70er-Jahre-Bausünde«. Auf die aktuellen »Beck's«-Nachrichten reagierte die Bremer Öffentlichkeit einerseits mit einem vorsichtigen Aufatmen, dass wohl nicht noch mehr Arbeitsplätze der Lebensmittelindustrie aus Bremen abwandern. Andererseits zeichnet sich eine kontroverse Diskussion über die Erhaltung des Gebäudes ab. Skalecki erklärt dazu, es gelte Bauwerke aus allen Lebensbereichen, also auch Wirtschaft, und aus allen Epochen, also auch der Nachkriegszeit, zu erhalten.
Schräg gegenüber der Brauerei, am anderen Weserufer, schreitet derweil die im Vorjahr angekündigte Schließung des Kellogg's-Werks voran, auch dieses Gelände soll verkauft werden. Hier gehen rund 200 Bremer Arbeitsplätze verloren und ein Stück Geschichte, denn einst war das Werk der Hauptsitz des Frühstücksflockenherstellers für Deutschland und Europa.
Die Politik der Hansestadt hatte die Schließungsnachricht seinerzeit schnell überwunden und ging frisch ans Werk, Wohnbebauung für das Areal zu planen. Denn von Rathaus und Marktplatz aus ist es nach einem nur viertelstündigen Spaziergang - vorbei am romantischen alten Hafen am Weserufer - erreichbar.
Doch auch hier gibt es Probleme, allerdings lag der Schreck diesmal auf Seiten der Politik. Denn wie sich herausstellte, hat Bremen ein Vorkaufsrecht nur für einen Teil des Geländes. Gleiches gilt auch für die weltweit agierende Windparkfirma WPD, die laut Eigenauskunft insgesamt 1800 Angestellte hat, in Bremen aber bisher nur ihre Verwaltung. WPD möchte nun von seinem Vorkaufsrecht Gebrauch, um das eigene Firmengelände zu erweitern. An einen gewinnbringenden Verkauf sei erst mal nicht gedacht, heißt es.
Sollte es auf dem Gelände Gewerbe geben, würde der Quadratmeterpreis bei über 500 Euro liegen, so Jens Tittmann, Sprecher des Bauressorts. Bei reiner Wohnbebauung, so wie sie die Stadt plant, läge der Preis, den Bremen zahlen müsste, zwischen 100 und 200 Euro. Wie ernst die Sache genommen wird, zeigt sich an Tittmanns deutlichen Worten: Er bringt das Stichwort Enteignung in die Diskussion, die eigentlich noch gar nicht richtig begonnen hat. Es gebe die Möglichkeit, so Tittmann, um dem Gemeinwohl zu dienen, Flächen, die für Gewerbe vorgesehen seien, zu enteignen. Bezahlt würde dann auch, aber eben ein »angemessener« Preis.
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