Apple stoppt den Tunnelblick

US-Konzern beugt sich den Zensoren in China und löscht Entsperrsoftware aus dem App-Store

  • Finn Mayer-Kuckuk, Peking
  • Lesedauer: 3 Min.

Der US-Konzern Apple hat in China alle Anti-Zensur-Programme von seiner Plattform zum Herunterladen von Mobilfunkanwendungen gelöscht. Das berichtet der Anbieter Express VPN, der eine entsprechende Mitteilung von Apple in einem Blogeintrag öffentlich gemacht hat. »Unseren vorläufigen Untersuchungen zufolge sind alle gängigen VPN-Anwendungen aus dem Store verschwunden«, schreiben die Experten des Unternehmens.

Die chinesische Regierung blockiert schon seit den Anfangstagen des Internets im Inland alle Inhalte, die der Regierung nicht passen. Dazu gehören Medien wie die Deutsche Welle, die »New York Times« oder Reuters. Auch die Suchmaschine Google sowie die Sozialmedien Facebook und Twitter sind gesperrt. Zudem funktioniert in China keine Suchanfrage, die unerwünschte Schlüsselworte wie »Reichtum Xi Jinping« oder »Massaker Tiananmen« enthält.

Derzeit schließen die Zensoren die letzten Schlupflöcher, durch die ein Zugriff noch möglich war - und westliche Konzerne machen mit, um ihre Geschäftsinteressen in China nicht zu gefährden. Das wichtigste Mittel, um die Zensur zu umgehen, sind bisher sogenannte Virtual Private Networks (VPN). Sie bauen einen verschlüsselten Tunnel zu einem Netzrechner in einem freien Land auf und saugen die gewünschten Daten von dort an. Bisher tolerierte der Staat die Nutzung von VPN-Tunneln - China ist Teil der Globalisierung, will zu einem Wissenschaftsvorreiter aufsteigen und hat Geschäftsinteressen in aller Welt. Forscher an den Universitäten beklagen, dass ihre Arbeit ohne die Suchmaschine Google praktisch unmöglich ist. Auch Rückkehrer vom Studium in den USA sollten ihre Kontakte in Übersee weiter auf Facebook pflegen können. Die VPNs blieben jedoch einer Elite vorbehalten, die Dinge wie ein iPhone und eine internationale Kreditkarte haben.

Unter Präsident Xi Jinping werden die Regeln immer strenger. Laut dem »Gesetz zur Stärkung der Cybersicherheit« vom Juli 2017 sind nun auch VPNs verboten, bis zum kommenden Jahr soll ihre Nutzung unterbunden sein. »China gefährdet ganz erheblich seine eigenen Interessen«, sagt Mats Harborn, Präsident der EU-Handelskammer in Peking. »Die Unternehmen vor Ort sind verunsichert und sehen ihre Datensicherheit massiv gefährdet.« Statt VPNs sind künftig nur staatliche Anbieter erlaubt, Schnüffelei und Abhören inbegriffen.

Die Internetfirmen reagieren unterschiedlich. Google hat sich 2010 aus dem Markt zurückgezogen, um nicht zensieren zu müssen. Der Vater von Mitgründer Sergey Brin, der aus Russland stammt, hatte in der Sowjetunion unter Schikanen gelitten. Dagegen hat der Betriebssystem-Marktführer Microsoft sämtliche Dienste in China politisch gereinigt. Facebook wiederum versucht derzeit, wie es heißt, auf den chinesischen Markt zurückzukommen. Die Frau von Konzerngründer Mark Zuckerberg stammt aus China; er hat das Land schon mehrfach besucht und spricht Mandarin. Jedoch ist es technisch äußerst schwierig, auf einer offenen Plattform wie Facebook zwischen genehmen und nicht genehmen Inhalten zu unterscheiden.

Trotz aller Hindernisse ist der Anreiz groß, auf dem am schnellsten wachsenden IT-Markt der Welt dabei zu sein. Apple ist auf Chinas Smartphone-Markt zuletzt auf Platz fünf abgerutscht. Kritik durch die Regierung oder gar der Verlust der Geschäftslizenz wären katastrophal für das Unternehmen. Ausländische Apple-Nutzer in China sind übrigens nicht von dem jüngsten Schritt betroffen: Sie greifen auch von dort aus auf den Store ihres Heimatlandes zu.

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