Zuchtmeister Kelly
Ein Ex-General soll das Weiße Haus disziplinieren - Kritiker sind skeptisch
Dilettanten und Ideologen, Querelen und Grabenkämpfe, Chaos und Ineffizienz - das Weiße Haus unter Doanld Trump bot im ersten halben Jahr seiner Amtszeit ein erbärmliches Bild. Nun soll es ein General mit harter Hand richten oder wenigsten erst einmal »eine klare Hackordnung festlegen«, wie der Londoner »Guardian« am Wochenende mit Berufung auf Regierungsinsider schrieb. »Der Entscheidungsprozess im Weißen Haus«, so Karl Rove, einst höchst einflussreicher Strippenzieher in der Ära von Präsident George W. Bush, bei »Fox News«, sei einfach »kaputt« und »nicht diszipliniert, fokussiert, beratend«.
Nachdem man den bisherigen Stabschef Reince Priebus, einen Mann der republikanischen Parteiführung, regelrecht aus dem Amt gemobbt hat - der gerade erst eingeführte präsidiale Kommunikationschef Anthony Scaramucci nannte ihn einen »verdammten paranoiden Schizophrenen« -, wurde am Montag John F. Kelly als neuer White House Chief of Staff vereidigt. Für viele politische Beobachter in der USA-Hauptstadt ist er damit de facto der zweitmächtigste Mann Washingtons, denn ihm untersteht nicht nur das Personal im West Wing, er ist im Normalfall auch der wichtigste Berater des Präsidenten und Oberbefehlshabers der Vereinigten Staaten. Der hatte den pensionierten Vier-Sterne-General vor sechs Monaten zum Leiter des Heimatschutzministeriums gemacht und lobte ihn jetzt über den grünen Klee.
»Ein wahrer Star meiner Regierung« sei der 67-Jährige, der einen »spektakulären Job« gemacht habe - und weiter machen werde. Kein Wunder, setzte Kelly doch den unbarmherzigen Kurs Trumps beim Grenzschutz und gegen die illegale Einwanderung mit geübter militärischer Loyalität durch. Er ist ein knallharter Konservativer; Kritiker im Kongress bürstete Kelly mit dem Satz ab, sie sollten entweder die Gesetze ändern oder einfach »die Klappe halten«. Nach seiner Ernennung zum Minister hatte er nachdrücklich erklärt: »Ich arbeite nur für einen Mann. Sein Name ist Donald Trump.«
Kelly hat fast fünf Jahrzehnte beim United States Marine Corps gedient. Er war hochdekorierter Kriegsteilnehmer in Irak, Ausbilder, befehligte das Southern Command in Florida, das für die Einsätze und die militärische Zusammenarbeit in Lateinamerika und in der Karibik verantwortlich ist. Mit ihm leitet erstmals seit 40 Jahre wieder ein Ex-General die Washingtoner Schaltzentrale der Macht. Zuletzt tat das Alexander M. Haig während der Nixon-Administration.
Doch Kritiker zweifeln, dass seine Vorliebe für Zucht und Ordnung ausreichen, um auch im neuen Job zu bestehen. Zumal es ihm Leute wie Kommunikationschef Scaramucci schwer machen dürften, die traditionelle Rolle als oberster »Türwächter« des Präsidenten zu erfüllen. Ohnehin will Trump ja, dass seine Berater den direkten Zugang zu ihm suchen und um sein Gehör kämpfen. Und dann sind da ja auch noch Trumps Tochter und Schwiegersohn mit ihren wichtigen Rollen im Küchenkabinett.
Aber Kelly fehle es auch an politischer und administrativer Erfahrung für dieses entscheidende Amt, an ausreichenden Kontakten zum Kongress. Effektive Stabschefs in der Vergangenheit hätten nicht nur den Präsidenten selbst, sondern auch die ganze Regierungsarbeit im Auge gehabt. Doch seien Steuern, Gesundheitsreform, Infrastruktur, das mühevolle Netzwerken im Ringen um Gesetze, der ganze administrative Alltag wirklich Sache des Ex-Generals?
Sein größtes Problem aber ist der Präsident selbst mit seinen hausgemachten Krisen, ob nun die Abstimmungsniederlagen in Sachen Gesundheitsreform, der Kleinkrieg gegen die eigene Partei, die Russland-Affäre, die sich gerade durch Sanktionen und Moskaus Reaktionen verschärft. Und der aktuelle Atom- und Raketenkonflikt mit Nordkorea könnte sich dank der hanebüchenen Diplomatie à la Trump schnell zu einem mit China auswachsen.
Wie die »New York Times« schreibt, erwarte Trump, dass der Ex-General in seinem dysfunktionalen Haus Ordnung schaffe: »Dabei ist Kellys größte Herausforderung, den Präsidenten zu disziplinieren. Mit ihm fängt das Chaos ja an.« Was Trump am Montag heftig zurückwies. Doch selbst das konservative »Wall Street Journal« lässt kein gutes Haar an seinem Regierungsstil, der weder auf parlamentarische Kompromisssuche noch auf normale Gesetzgebungsvorgänge Rücksicht nehme. Die »Washington Post« ist sich da sicher: Das Weiße Haus implodiere, ein weiterer General werde das nicht ändern.
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