Autobauer verteidigen »Fort NOx«
Dieselgipfel bringt kaum Zugeständnisse / Verbraucher sollen sich mit weiteren Updates begnügen
Die Bundesregierung fasst die Autoindustrie weiter mit Samthandschuhen an. Beim Dieselgipfel am Mittwoch in Berlin vereinbarten Bund, Länder und Autobauer eine Minimallösung für die hohe Stickoxidbelastung, die von Dieselautos in vielen Städten verursacht wird. Demnach soll es nur ein Softwareupdate geben. Die Kosten tragen die Hersteller, allerdings kommen sie billig davon - mit knapp 100 Euro pro Pkw.
Dass das Ergebnis so schwach ist, hat einen einfachen Grund: Die Politik setzt weiter auf freiwillige Maßnahmen. Es passiert also nur das, was die Autobauer von sich aus anbieten. Das ist denkbar wenig. Insgesamt sollen 5,3 Millionen Dieselautos sauberer werden, vor allem Euro-5-Fahrzeuge, teils auch welche mit der Euro-6-Norm. Darin sind aber die 2,5 Millionen VWs eingerechnet, bei denen bereits Nachbesserungen angeordnet wurden. Von Hardwarenachrüstungen, die 1500 Euro pro Fahrzeug kosten würden, oder gar Fahrverboten ist keine Rede.
Experten hatten im Vorfeld des Gipfels gewarnt, dass es zur Einhaltung der Grenzwerte bei der Luftqualität nicht reiche, wenn nur eine neue Software für die Motorsteuerung aufgespielt werde. »Für die Luft in den Städten bringt das wenig«, betont der Auto- und Umweltexperte Axel Friedrich. »Die Grenzwerte würden weiter deutlich überschritten werden.«
Auch das Stuttgarter Verwaltungsgericht sieht das so. In einem Urteil hatte das Gericht gerade klargestellt, dass Software-Updates »keine geeignete Maßnahme« sind, um schnellstmöglich für Luftreinhaltung zu sorgen. Vielmehr sollten ganzjährige Fahrverbote in Umweltzonen verhängt werden. Noch ist das Urteil nicht rechtskräftig, Baden-Württemberg kann Revision einlegen.
Die Deutsche Umwelthilfe, die in Stuttgart erfolgreich geklagt hatte, will vor Gericht ziehen, bis Politik und Industrie genug gegen hohe Schadstoffwerte unternehmen. In 16 Städten und Ländern war die DUH schon erfolgreich. So zog sie am Mittwoch auch vor das Verkehrsministerium, gemeinsam mit anderen Umweltorganisationen. Sie wollten zeigen, dass es mit »Mickey-Mouse-Software-Lösungen« nicht getan ist. Greenpeace-Aktivisten seilten sich vom Dach ab und entrollten ein Transparent, auf dem das Ministerium Alexander Dobrindts (CSU) als »Fort NOx« kritisiert wurde. NOx ist das Kürzel für Stickoxid. Der Gipfel verteidige eine »ausgediente« Technologie, als sei sie das Gold von Fort Knox, twitterte Greenpeace. Das Treffen war kurzfristig ins Innenministerium verlegt worden. Aus »technischen Gründen«, hieß es, später war von »Sicherheitsgründen« die Rede.
Ein kleines Bonbon gibt es von den Autobauern doch: Ein neuer »Mobilitätsfonds« soll eingerichtet werden, in den sogar die Industrie einzahlen will. Die staatlichen Mittel sollen um 250 Millionen Euro aufgestockt werden, kündigte Dobrindt an. Damit könnte man den Kauf umweltfreundlicherer Busse oder Müllautos fördern, ein erster Minischritt Richtung Verkehrswende. Seite 11
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