FDP-Chef: Krim als »dauerhaftes Provisorium«
Lindner fordert Neustart der Beziehungen zu Russland / Deutsche Konzerne sehen neue Sanktionen kritisch
Berlin. Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner hat sich für eine Kurskorrektur im Umgang mit Russland ausgesprochen. »Sicherheit und Wohlstand in Europa hängen auch von den Beziehungen zu Moskau ab«, sagte Lindner den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Es müsse Angebote geben, damit der russische Präsident Wladimir Putin ohne Gesichtsverlust seine Politik verändern könne. Dabei kam Lindner auch auf die ukrainische Halbinsel Krim zu sprechen, die sich in einem umstrittenen Referendum abgespalten hatte, was auf internationaler Ebene meist als Annexion Russlands betrachtet wird
»Um ein Tabu auszusprechen: Ich befürchte, dass man die Krim zunächst als dauerhaftes Provisorium ansehen muss«, sagte der FDP-Chef. Den Konflikt um die von Russland annektierte ukrainische Halbinsel müsse »eingekapselt« werden, um an anderen Stellen Fortschritte zu erzielen, forderte Lindner. Die Annexion der Baltischen Staaten durch die Sowjetunion nach dem Zweiten Weltkrieg sei vom Westen auch nie anerkannt worden, trotzdem hätten Staatsmänner wie Willy Brandt und Walter Scheel eine neue Ostpolitik entwickeln können, erklärte Lindner. Dieser Wandel durch Annäherung sei damals »neues Denken« gewesen. Das sei auch heute nötig. Auch sollten die europäischen Sanktionen gegen Russland »nicht erst fallen können, wenn das Friedensabkommen von Minsk vollständig erfüllt ist«, forderte Linder mit Blick auf den Konflikt in der Ostukraine. »Auch positive Zwischenschritt müssen gewürdigt werden«, sagte der FDP-Chef.
Wegen der rechtswidrigen Weiterleitung von Siemens-Gasturbinen auf die Krim hatte die EU erst am Freitag neue Sanktionen gegen Russland beschlossen. Die Strafmaßnahmen betreffen drei Verantwortliche aus dem russischen Energiesektor und drei Unternehmen. Russland reagierte verärgert.
Auch den deutschen Konzernen bereiten die Sanktionen neue Sorgen. »Wichtige Projekte für die Versorgungssicherheit können zum Stillstand kommen, sollte es deutschen Unternehmen nicht mehr erlaubt sein, an russischen Gaspipeline-Projekten mitzuwirken«, sagte der Außenwirtschaftschef des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Volker Treier, der Deutschen Presse-Agentur. Das würde auch die deutsche Wirtschaft insgesamt empfindlich treffen.
Die nicht mit der EU abgestimmten Strafmaßnahmen nehmen unter anderem den für Russland wichtigen Energiesektor ins Visier. Sie können aber auch Firmen aus anderen Ländern treffen, die sich an der Instandsetzung, Modernisierung oder am Ausbau russischer Exportpipelines beteiligen.
Nach Jahren der Krise infolge des Ölpreisverfalls und der 2014 verhängten EU-Wirtschaftssanktionen hatte sich die russische Wirtschaft zuletzt erholt. Für dieses Jahr erwartet der DIHK zum ersten Mal seit vier Jahren wieder ein Wachstum der deutschen Exporte in das Land. Ein Plus von mindesten fünf Prozent könnte demnach drin sein. Im Zeitraum von 2013 bis 2016 waren die Ausfuhren von Gütern »Made in Germany« den Angaben zufolge um 40 Prozent eingebrochen. Agenturen/nd
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