»Ich will der Beste der Welt sein«

Der Zehnkämpfer Rico Freimuth zeigt vor seinem Start bei den Leichtathletik-Weltmeisterschaften Ehrgeiz

  • Andreas Schirmer, London
  • Lesedauer: 3 Min.

Was vor einem Zehnkampf im Kopf von Rico Freimuth vor sich geht, möchte man eigentlich nicht wirklich wissen. »Da denke ich auch ganz asoziale Sachen, um den Körper in einen extremen Adrenalinzustand zu bringen«, bekannte sich der Zehnkämpfer vor seinem Start bei den Leichtathletik-Weltmeisterschaften am Freitag in London zu seinen, wie er es ausdrückt, »sehr narzisstischen Zügen«.

Ein Vorbild für die optimale Selbstmotivierung war der Olympiasieger, Weltmeister und Weltrekordler Ashton Eaton. »Er war ein mentales Monster. Ihm war keiner gewachsen«, sagte der WM-Dritte aus Halle bewundernd. Nach dem Rücktritt des Dominators aus den USA hofft auch Freimuth, in der Zehnkampf-Hierarchie aufzurücken: »Die Grundstimmung im Zehnkampflager ist so, dass jeder, der schon mal eine Medaille geholt hat, jetzt sagt: Ich will oben stehen.«

Immerhin ist der 29 Jahre alte Sportsoldat als Nummer eins der Weltbestenliste mit 8663 Punkten an die Themse gereist - auf Rang zwei und drei folgen knapp dahinter der unter neutraler Fahne startende russische WM-Vierte Ilja Schkurenjow und der Olympiadritte Damian Warner aus Kanada. Großer Favorit dürfte jedoch der Franzose Kevin Meyer sein, der bei den Spielen von Rio hinter Eaton Zweiter wurde und als Bestleistung immerhin 8834 Punkte vorweisen kann.

Auch sein deutscher Rivale Kai Kazmirek könnte ein Wörtchen bei der Vergabe der ersten Plätze mitreden. Der Olympiavierte schaffte in diesem Jahr immerhin auch schon 8472 Punkte und war 2015 bei den Weltmeisterschaften nur 113 Zähler vom Bronzerang entfernt. »Eine Medaille ist drin«, meinte der 26-jährige Polizeikommissar von der LG Rhein-Wied. Dritter deutscher Starter ist Mathias Brugger aus Ulm.

»Wer weiß, alles ist möglich. Warum nicht ich!«, antwortete Freimuth selbstbewusst auf die Frage, ob er sich den Titelgewinn zutraut. »Ich will der Beste der Welt sein.« Bisher ist das nur einem Deutschen gelungen: dem frühere DDR-Athleten Torsten Voss 1987 in Rom. Ob er das nun selbst in London schaffen könnte, wollte Freimuth dann doch nicht voraussagen: »Ich fühle mich zu gut, um mir diesen dummen Druck aufzubürden. Ich bin für alle Fälle gewappnet.«

Ratschläge von seinem Vater, dem ehemaligen DDR-Mehrkämpfer Uwe Freimuth, der bei den Weltmeisterschaften 1983 Vierter war und einst 8792 Punkte erkämpfte, hört er nicht mehr so gern. »Was soll ich mit ihm reden, ich gehe meinen Weg«, sagte Freimuth Junior. Sein Vater habe ihm zu lange Druck gemacht. »Mein Vater ist so ein Typ für die Superlative, das hat er mir dann auch rübergebracht«, erzählte der Filius. »Irgendwann hat es dann kurz geknallt, bis ich die WM-Medaille geholt habe - seitdem ist alles gut.« Etwas Druck vom Vater ist dennoch geblieben: »Er hofft natürlich, dass ich besser werde, als er es jemals war.«

Die Emanzipation vom Vater hat ihn psychisch stärker gemacht. »Die körperlichen Möglichkeiten für einen starken Zehnkämpfer hat er schon lange. Wichtig ist aber auch, die innere Mitte und Ruhe zu haben, das war bei Rico in manchen Jahren unterschiedlich«, erklärte Bundestrainer Rainer Pottel. »Nun hat er die Ruhe wiedergefunden, die er im WM-Jahr 2015 beim Medaillengewinn hatte.« dpa/nd

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