Fluchtziel Strand
Immer mehr Menschen fliehen übers Mittelmeer nach Spanien
Der Nachmittag bot alle Zutaten für eine Strandidylle. Die Sonne schien, es wehte ein leichter warmer Wind von Afrika her über die Meerenge von Tarifa, die Menschen lagen im Schatten unter Sonnenschirmen und hielten nach dem guten Mittagessen eine kleine Verdauungssiesta. Der einzige Polizist im Dienst, von der Guardia Civil im Örtchen Zahara de los Atunes, fuhr ganz allein mit dem Dienstwagen über die Serpentinen vom Faro, dem Leuchtturm, zur Playa de los Alemanes, dem »Strand der Deutschen«. Gegen 15.45 Uhr war sein ruhiger Nachmittag jäh zu Ende.
Ein Boot tauchte auf. Ein langes Schlauchboot, mit etwa 40 Menschen an Bord. Flüchtlinge. Das hat es hier noch nicht gegeben. Das gut sechs Meter lange grauschwarze Luftboot trieb mit den Wellen an den 1500 Meter langen Sandstrand zwischen dem Faro und der kleinen Landzunge, dort, wo die Luxusapartments Miramar auf den Hügeln liegen. Die Insassen sprangen im seichten Wasser von Bord, rannten zum Strand, zur Straße, zwischen die Häuser und verschwanden.
Der Vorfall ereignete sich am Mittwochnachmittag um 15.47 Uhr, wie aus einem mit dem Smartphone aufgenommenen kurzen Video ersichtlich ist, das rasch seinen Weg ins Fernsehen fand. Schon am nächsten Tag wurden weitere Flüchtlinge an der Küste und kurz davor gesichtet und gerettet. Wenige Kilometer vor Tarifa - Zahara de los Atunes gehört zum Stadtgebiet - wurden zehn Menschen aus einem Ruderboot geholt, mit dem sie die Meerenge von Gibraltar von Marokko aus überwinden wollten. Und nahe der britischen Felsenkolonie nahm ein spanisches Patrouillenboot drei Männer auf, die mit einem aufblasbaren Badeboot von der marokkanischen zur spanischen Küste paddeln wollten.
In den ersten sechs Monaten dieses Jahres sind schon mehr Flüchtlinge an Andalusiens Stränden gelandet als im ganzen Jahr 2016. Allein in der Provinz Malaga mit der Costa del Sol waren es über 750. In diesem Jahr mag auch das gute Wetter eine Rolle spielen. Die Frühjahrsstürme sind vorbei, das Mittelmeer ist meist spiegelglatt, nur mit einer leichten Dünung, das nordafrikanische Hoch, das an Spaniens Stränden wie im Landesinneren in diesen Sommerwochen zu einer Hitzewelle geführt hat, lässt stetigen Wind von Süden nach Europa wehen. Das hilft den Menschen in ihren Booten.
Zwischen dem spanischen Tarifa und der marokkanischen Küste liegen nur 14 Kilometer. Da kann man auch mal einen Versuch mit dem Ruderboot wagen. Die Landung an der Playa de los Alemanes von Tarifa hat dennoch Seltenheitswert. Denn meist versuchen es die Flüchtlingsboote weiter im Osten, um mit der Strömung schräg nach Norden an die Küste in der Provinz Almeria oder Malaga zu gelangen.
Der »Strand der Deutschen« hat seinen Namen nicht etwa von der Unzahl sonnenhungriger Deutscher aus Alemania, die hier Urlaub machen. Glaubt man Javier Compás, der den Roman »Playa de los Alemanes« geschrieben hat, dann geht er bis in die Zeit des Zweiten Weltkriegs zurück.
Während des Krieges war die abgelegene Bucht - damals gab es noch keinen Tourismus, heute leben 1600 Menschen ganzjährig in Zahara und im Sommer 40 000 - eine Beobachtungsstelle für die deutsche Aufklärung. Von dort konnte man die Schiffe der Alliierten feststellen. Und man konnte hier - unbehelligt vom Franco-Regime und unbeobachtet vom Gegner - auch U-Boote und Kriegsschiffe versorgen.
Nach Kriegsende siedelten sich zahlreiche Deutsche hier an, wohl auf der Flucht vor den alliierten Siegern, wie auf der Webseite »Visitar Zahara« (Zahara besuchen) gemutmaßt wird. Das, und nicht der heutige Tourismus, waren Namensgeber.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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