Autoland ist ausgebrannt

Die deutschen Fahrzeughersteller waren so erfolgreich, dass sie notwendige Erneuerungen verschlafen haben

  • Tomasz Konicz
  • Lesedauer: 3 Min.

Darf es ein bisschen mehr sein? Dies scheint immer noch die Devise deutscher Politik zu sein, wenn es um die Wünsche der Autolobby geht. Offensichtlich wurde dieser Kadavergehorsam des politischen Spitzenpersonals gegenüber der allmächtigen Autobranche beim kürzlich aufgeführten »Dieselgipfel« in Berlin - einer Politshow, die das durch Abgasskandale und Kartellvorwürfe arg ramponierte Image des Autolabels »Made in Germany« aufpolieren sollte. Herausgekommen sind hierbei nur handzahme Absprachen zu »Softwareupdates« bei den beanstandeten Dreckschleudern. Die Bundesregierung möchte die Fahrzeughersteller »schonen«, kommentierte »Spiegel«-Online die Gipfelergebnisse.

Und genau mit diesem sturen Festhalten an der Kuschellinie gegenüber den Autobauern, bei der die kriminelle Energie der Kapitalfunktionäre de facto belohnt wird, untergräbt der Staat seine eigene systemimmanente Funktion als »ideeller Gesamtkapitalist«, wie sie schon von Marx und Engels analysiert wurde. Der kapitalistische Staat ist nicht einfach nur ein politischer »Erfüllungsgehilfe« mächtiger Kapitalfraktionen oder Seilschaften von Kapitalfunktionären. Der nationale Staatsapparat muss vor allem das Funktionieren des kapitalistischen Gesamtsystems zur Maxime seiner Politik zu machen, die ja im bornierten betriebswirtschaftlichen Kalkül der Marktsubjekte nicht berücksichtigt werden kann. Der Staat bildet somit einen notwendigen Pol kapitalistischer Vergesellschaftung, der als Korrektiv den destabilisierenden Tendenzen marktvermittelter Kapitalverwertung entgegenwirkt.

Hierbei geht es nicht nur um repressive Funktionen oder die sozialdemokratische Stilllegung von Widerstand, sondern gerade um die Bekämpfung kapitalistischer Partikularinteressen, wenn diese das Gesamtsystem gefährden. Der Staatsapparat agiert dabei gewissermaßen »strategisch« und volkswirtschaftlich, während selbst die mächtigsten Kapitalgruppen letztlich ihre Handlungen nur an der betriebswirtschaftlichen Maxime der Mehrwertmaximierung ausrichten. Genau daran ist der deutsche Staat in den vergangenen Jahren spektakulär gescheitert. Die deutsche Autolobby war zu erfolgreich. Notwendige strategische Weichenstellungen - wie der kostspielige Wechsel zum Elektromotor - wurden aufgegeben zugunsten eines kurzfristigen Renditedenkens, das vom Staatsapparat der »Deutschland AG« schlicht übernommen wurde.

Zuletzt wurde dies Ende 2013 bei der erfolgreichen Torpedierung strenger europäischer CO2-Grenzwerte durch die Bundesregierung offensichtlich, als die Autolobby das Kanzleramt dazu brachte, eine verbindliche europaweite Absenkung des Ausstoßes von Triebhausgasen durch Pkw entscheidend zu verwässern. Ein spektakulärer Sieg deutscher Machtpolitik in Europa, so schien es damals - der aber den Druck zur kostspieligen und friktionsreichen Umstellung auf den Elektromotor von der Industrie nahm. Wenige Tage später wurde übrigens bekannt, dass der berüchtigte Quandt-Klan im Oktober 2013 Spenden von insgesamt 690 000 Euro an die CDU-Zentrale überwiesen hatte.

Ergebnis der »erfolgreichen« Lobbypolitik: Während der Elektroautohersteller Tesla-Motors mit dem Model 3 sein erstes Massenfahrzeug ausliefert, dessen Vorbestellungen die Produktionskapazitäten des US-Konzerns bis Ende 2018 auslasten, kämpfe die deutsche Politik für den Erhalt einer archaischen Technologie, wunderte sich die »New York Times«: »Großbritannien und Frankreich wollen einen Verkaufsstopp für Diesel. Madrid und Athen verbieten die Fahrzeuge gänzlich. Volvo wechselt zu elektrischen Antrieben«, doch selbst angesichts dieser »zunehmenden Investitionen in elektrische Autos« scheinen »deutsche Wirtschaftsführer und politische Entscheidungsträger entschlossen«, am Diesel festzuhalten, schrieb das Blatt. Die kurzfristig zu erfolgreiche Lobbypolitik der Autokonzerne lässt diese nun technologisch in Rückschritt geraten.

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