Für Pauschalreisen sind hohe Anzahlungen gerechtfertigt
Urteil des Bundesgerichtshofs zum Nachteil der Verbraucher
Das geht aus einem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 25. Juli 2017 (Az. X ZR 71/16) hervor. Die Vorinstanz hatte den Fall anders gesehen.
Der Senat des BGH entschied damit bereits zum zweiten Mal in einem Rechtsstreit zwischen dem Bundesverband der Verbraucherzentralen und dem Veranstalter Tui, der für bestimmte Pauschalreisen eine Anzahlung von 40 Prozent verlangt. Nach dem ersten BGH-Urteil muss der Veranstalter darlegen, dass er selbst bereits bei Vertragsschluss entsprechend hoch in Vorleistung treten muss.
Auch Flugkosten dürfen dafür pauschal berücksichtigt werden, unabhängig davon, ob diese Kosten für jede einzelne Reise des Angebots vorfinanziert werden. Dasselbe gilt für Leistungen gegenüber Hotelbetreibern, es sei denn diese unterscheiden sich erheblich in ihrer Höhe etwa mit Blick auf verschiedene Reiseziele. Dies muss nun erneut das Oberlandesgericht Celle (Az. X ZR 71/16) klären.
Bei Pauschalreisen hatte sich eine Zwischenlösung eingebürgert: Urlauber mussten bei der Buchung eine Anzahlung leisten. Um die 20 Prozent des Reisepreises waren üblich - bis der Veranstalter Tui für bestimmte Pauschalreisen 40 Prozent verlangte. Seit 2012 wird vor Gericht darüber gestritten, ob das zu viel ist.
Um welche Reisen ist es im Klagefall gegangen?
Es ging um die Marken X1-2-Fly und XTUI. Tui nennt diese Pauschalreisen »dynamisch«, weil dabei Hotels mit den zum Zeitpunkt der Buchung günstigsten Flügen kombiniert werden. Nach Angaben von Tui machen diese Reisen etwa zehn Prozent des Angebots aus.
Warum will Tui für diese Reisen eine Anzahlung von 40 Prozent?
Der Veranstalter begründet das damit, dass er für diese Angebote selbst in Vorleistung treten müsse, etwa gegenüber Fluglinien.
Warum ist das für Verbraucher ein Problem?
»Bei einer Reise geht es um hohe Summen. Außerdem bucht man das häufig lange im Voraus, unter Umständen ein Jahr vorher«, sagt Rechtsexpertin Kerstin Hoppe vom Bundesverband der Verbraucherzentralen, der Tui verklagt hat. »Da hat man das Geld vielleicht noch gar nicht zusammen.« Wenn Urlauber in Vorleistung gehen, tragen sie zudem das Risiko, dass der Veranstalter insolvent geht, die Reise demzufolge nicht stattfindet und sie ihr Geld nicht zurückbekommen. Allerdings müssen sich Reiseveranstalter versichern für den Fall, dass sie Pleite gehen. Das schützt Urlauber.
Ist eine Anzahlung von 40 Prozent zu viel?
Aus Sicht der Verbraucherschützer vom Bundesverband der Verbraucherzentralen ist das ein »Extremfall«. Die Branche orientiere sich daran nach oben. Schon 20 Prozent seien eine ganze Menge gewesen. Der BGH hatte in seinem ersten Urteil zu dem Fall 2014 entschieden: Ein Anzahlung von mehr als 20 Prozent ist nur in Ordnung, wenn es dafür einen sachlichen Grund gibt. Dafür muss der Reiseveranstalter zumindest darlegen, dass für ihn bei Vertragsschluss Aufwendungen entstehen, die in der Regel so hoch sind wie die verlangte Anzahlung.
Ist das bei den beiden Angeboten von Tui der Fall?
Wahrscheinlich ja, wobei eine endgültige Klärung noch aussteht. Nach dem Urteil dürfen Veranstalter einige Posten bei der Kalkulation der Anzahlungspauschale berücksichtigen, etwa Provisionen für Reisebüros. Das hatte die Vorinstanz noch anders gesehen. Auch Flugkosten dürfen pauschal berücksichtigt werden, unabhängig davon, ob diese Kosten für jede einzelne Reise des Angebots tatsächlich vorfinanziert werden. Dasselbe gilt für Leistungen gegenüber Hotelbetreibern, es sei denn, diese unterscheiden sich erheblich in ihrer Höhe etwa mit Blick auf verschiedene Reiseziele. Das muss nun das Oberlandesgericht Celle klären.
Was halten Verbraucherschützer von dem Urteil?
Die Rechtslage ist damit eindeutig zulasten der Verbraucher verschlechtert worden, so der Bundesverband der Verbraucherzentralen. Provisionen für Reisebüros können bei der Berechnung der Höhe der Anzahlung durchaus zu Buche schlagen. dpa/nd
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