Solidemos und ein verjagter Neonazi
Internetkampagnen, Solidaritätsdemonstrationen und eine gehackte Website - der Protest nach der Nazi-Gewalt in Charlottesville
Nach dem Anschlag auf eine Demonstration in Charlottesville debattiert Amerika über die radikale Rechte in den USA: Und die bekommt nun Gegenwind zu spüren. »Das ist das Ende des Hasses« - so war am Montagmorgen ein Beitrag auf der amerikanischen Neonazi-Website »The Daily Stormer« überschrieben, in dem mutmaßliche Hacker erklärten, »Anonymous« habe die Seite übernommen. Die Aktion sei »in Gedenken an Heather Heyer als Opfer des weißen rassistischen Terrors« erfolgt. Sie wurde am Samstag bei Protesten gegen eine Neonazi-Demo in der Stadt Charlottesville im Bundestaat Virginia getötet, als ein Neonazi mit seinem Auto in ein Gruppe Gegendemonstranten raste und sie und 19 andere Nazigegner teils schwer verletzte.
Man kontrolliere nun die Seite und die Server des »Daily Stormer« und werde gegebenenfalls weitere Daten veröffentlichen. Doch in der mit Großbuchstaben verfassten Mitteilung wird auch großspurig von einer »internationalen Vereinigung von Elite-Hackern gesprochen«. Andere »Hacktivisten« zweifelten deswegen die Echtheit der Erklärung an und vermuten eine PR-Aktion des Daily Stormer hinter dem Artikel.
Bestätigt ist hingegen, dass der Provider »GoDaddy«, der die Seite des Daily Stormer hostet, am Montag öffentlich erklärte, die Macher der neonazistischen Seite hätten gegen die Nutzungsbedingungen verstoßen. Das Internet-Unternehmen gibt dem »Daily Stormer« 24 Stunden Zeit, um seine Webseite auf den Servern eines anderen Internetanbieters unterzubringen. Die Seite bietet für ihre Leser Artikel in Rubriken wie »Das Judenproblem« und »Rassenkrieg«. Am Wochenende berichtete der »Stormer« auch über die Ereignisse in Charlottesville und beschimpfte die von dem Neonazi James Fields mit dem Auto überfahrene Heather Heyer.
Viele Amerikaner denken offenbar ganz anders: Innerhalb von weniger als zwei Tagen sammelten Unterstützer per Crowdfunding 225.000 US-Dollar für die Familie der Aktivistin. Auch für ein weiteres Opfer der Neonazi-Gewalt gingen im Internet bis Montag in weniger als einem Tag über 100.000 Dollar an Spenden ein. Der 22-Jährige Deandre Harris aus Charlottesville hatte sich dem Gegenprotest angeschlossen und war in einem Parkhaus direkt neben der Polizeistation von mehreren Rechten mit Stöcken verprügelt worden. »Mein Kopf musste mit acht Stichen genäht werden, mein Handgelenk ist gebrochen und ich mir wurde ein Zahn ausgeschlagen«, sagte der junge Hip-Hop-Künstler dem afroamerikanischen Nachrichtenportal »The Root«. Wenn seine Freunde ihm nicht geholfen hätten, wäre er »vermutlich nicht mit dem Leben davongekommen«, meint Harris.
Über den am Sonntag festgenommen Angreifer James Fields, sind inzwischen weitere Details bekannt geworden. Der 20-Jährige Mann aus Ohio war mit der Neonazi-Gruppe »Vanguard America« mehrere hundert Meilen gefahren, um an der Demonstration gegen die Entfernung der Statue eines Südstaatengenerals teilzunehmen. Bilder von der Demonstration in Charlottesville zeigen ihn mit anderen rechten Demonstranten und schwarz-weißen Schildern wenige Stunden vor der Tat. Auf den Schildern der Gruppe prangt das faschistische »Fasci« Rutenbündel.
In über 50 Städten in den USA gab es am Sonntagabend kleinere antifaschistische Demonstrationen gegen die Neonazi-Gewalt und in Gedenken an Heather Heyer. In Charlottesville verjagten unterdessen am Sonntag Gegendemonstranten den Organisator der Nazi-Demo von »Unite The Right«, als dieser versuchte eine Pressekonferenz zu geben. Ein NBC-Video zeigt, wie Jason Kessler, von Polizisten eskortiert, durch Blumenbeete davonstolpert.
Seit dem Anschlag gibt es unter dem Hashtag #SayHerName eine Solidaritätskampagne für Heather Heyer in sozialen Netzwerken wie Twitter. Mehrere prominente Republikaner bezeichneten den Angriff als Terrorakt, Donald Trump dagegen verurteilte nur unspezifisch die »Gewalt von allen Seiten«. Bereits in der Vergangenheit hatten Zahlen des Government Accountability Office ergeben, das es seit dem 11. September 2001 mehr Vorfälle von inländischem »weißen« Terrorismus als islamistisch motivierten Terror gab, trotzdem gab es laut einer anderen Studie deutlich weniger Berichterstattung über rechten Terrorismus in den USA.
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