Starb Oury Jalloh gar nicht durch ein Feuer?

Gutachten weckt neue Zweifel an offizieller Version zum Tod des Geflüchteten in einer Dessauer Polizeizelle im Jahr 2005

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. Im Fall des 2005 in einer Dessauer Polizeizelle bei einem Feuer gestorbenen Asylbewerbers Oury Jalloh weckt ein Gutachten neue Zweifel an der Todesursache. Die Analyse eines vor einem Jahr von der Staatsanwaltschaft Dessau-Roßlau durchgeführten Brandversuchs lasse fraglich erscheinen, dass Jalloh »tatsächlich an den Folgen des Brands gestorben sein kann«, schrieb die »Welt«. Die Zeitung berief sich dabei auf Justizkreise. Sollte die neue Bewertung zutreffend sein, müsste ein Dritter die Matratze angezündet haben, heißt es in dem Bericht weiter.

Die Staatsanwaltschaft will im Rahmen eines Todesermittlungsverfahrens die Umstände des Geschehens klären. Dazu gehört auch die Frage, ob möglicherweise Polizisten den 36-jährigen misshandelt und angezündet haben könnten. Er befand sich in Polizeigewahrsam in einer Zelle, wobei er an Händen und Füßen gefesselt auf einer Matratze lag.

Das Landgericht Magdeburg hatte den damaligen Dienstleiter 2012 wegen fahrlässiger Tötung zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er Jalloh besser hätten überwachen müssen. Der Bundesgerichtshof bestätigte 2014 das Urteil, in dem davon ausgegangen wurde, dass der Mann aus Sierra Leone die Matratze selbst angezündet hatte.

Dies wird von einer Jalloh-Gedenkinitiative schon seit langem bezweifelt. Sie legte bereits 2015 ein eigenes Gutachten vor, das anzweifelte, dass dieser die Matratze selbst hätte anzünden können. Den von ihr damit beauftragten Experten zufolge war auch fraglich, ob Jalloh beim Ausbruch des Feuers überhaupt noch lebte.

Unterdessen wird ebenfalls bekannt, dass der umstrittene Fall offenbar nicht mehr von Ermittlern der Dessau Staatsanwaltschaft bearbeitet wird. Wie die »Mitteldeutsche Zeitung« meldet, wurde das Verfahren bereits im Juni an die Staatsanwaltschaft Halle übertragen. Dies wurde unter anderem mit »dienstlicher Belastung der Mitarbeiter« in Dessau begründet. Zudem heißt es: »Eine irgendgeartete Kritik an der Arbeit der Staatsanwaltschaft Dessau-Roßlau ist mit der Entscheidung nicht verbunden.«

Der Grünenpolitiker Sebastian Striegel kritisierte, dass das Todesermittlungsverfahren weiter stocke. »Die Ergebnisse zu diesem erneuten Brandversuch sollten zunächst binnen acht Wochen vorliegen. Später waren sie für das Frühjahr 2017 angekündigt«, monierte er. Striegel forderte auch Aufklärung zum nun bekannt gewordenen Entzug der Ermittlungen: »Liegen Hinweise auf frühere Einflussnahmen auf Ermittlungen vor?«

Er nannte die Informationspolitik der Justizministerin Anne-Marie Keding (CDU) zudem eine Farce. Offensichtlich sei Keding die Tragweite des Falles nicht bewusst. »Ich erwarte von der Ministerin, dass sie - ohne weitere Ermittlungen zu gefährden - Auskunft zum Stand des Verfahrens gibt«, sagte Striegel. Die Generalstaatsanwaltschaft wehrt sich gegen Striegels Vorwürfe. Aus gutem Grund würden die Ermittlungen nicht in der Öffentlichkeit geführt. Die halleschen Ermittler würden zu gegebener Zeit über das Ergebnis des Brandversuchs informieren. Agenturen/nd

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