Streitbar: Ein Nachruf auf Eberhard Jäckel

Zum Tod eines West-Historikers

Ohne Hitler keine DDR - das ist eine These von fast unwiderleglicher Beweiskraft. Ohne Stalin (oder Lenin) kein Hitler - diese These ist viel weniger beweiskräftig«, sagte einmal Eberhard Jäckel, der am vergangenen Dienstag im Alter von 88 Jahren verstarb. Im Historikerstreit der Bundesrepublik 1986/87 gehörte der Stuttgarter Geschichtsprofessor zu jenen, die Ernst Noltes These, wonach Auschwitz eine Reaktion auf den Gulag gewesen sei, vehement widersprachen und als fatale Relativierung des »Nationalsozialismus« geißelten. Der am 29. Juni 1929 als Sohn eines Diplomingenieurs in Wesermünde geboren Wissenschaftler beharrte auf der Einzigartigkeit der Shoa - den Begriff Holocaust vermied er - und setzte sich dann auch konsequent für die Errichtung eines Mahnmals für die ermordeten Juden im Herzen der deutschen Hauptstadt, Berlin, ein.

Nach Jäckel verbiete die Beispiellosigkeit des Genozids der Nazis an der europäischen Judenheit auch eine Gleichsetzung mit den Massakern an den Armeniern 1915/16 im Osmanischen Reich, die er eher als »von Morden begleitete Evakuierungen« definierte, sowie ebenso mit der Ausrottung der Indianer in den USA. »Ich hierarchisiere nicht die Opfer, sondern ich differenziere die Vorgänge«, betonte er in einem Zeitungsinterview. Jäckel griff auch in die Kontroverse um das Buch »Hitlers willige Vollstrecker« des US-Historikers Daniel J. Goldhagens, in dem jener die Deutschen »Mörder aus Überzeugung« nannte. Für Jäckel war es ein »einfach schlechtes Buch« und peinlicher Rückfall in primitive Stereotypen.

Nicht minder leidenschaftlich schaltete er sich in die Debatten um die DDR ein, die immer wieder mit der Hitlerdiktatur gleichgesetzt wurde (und noch wird). »Unsere zweifache Vergangenheit ist und bleibt eine verschiedene«, sagte er bei einem Vortrag in Bonn 1992. Jäckel sprach sich gegen eine Pauschalverurteilung von DDR-Bürgern in Funktionen aus, einschließlich ehemaliger Mitarbeiter des MfS, und forderte stattdessen, ähnlich wie bei der Entnazifizierung nach 1945 zu fragen, »was jemand in dieser Funktion getan hat«.

Jäckel war an der Neukonzeption der Gedenkstätte des KZ Buchenwald nach der Vereinigung beteiligt, wofür er das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse erhielt. In Von 1994 bis 1999 war er zudem Vorsitzender des wissenschaftlichen Kuratoriums der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Dora-Mittelbau.

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