Freundschaftsklaps für enthemmte Milizen

Bundesregierung mahnt libysche Behörden zur Einhaltung von Völkerrechtsstandards im Mittelmeer

  • Uwe Kalbe
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Bundesregierung führt offenbar Gespräche mit den libyschen Behörden über deren Vorgehen gegen die von ihrem Territorium ausgehenden Flüchtlingsbewegungen in Richtung EU. Man habe in solchen Gesprächen darauf hingewiesen, dass es durch die Einrichtung eines libyschen Such- und Rettungsbereichs »nicht zu völkerrechtswidrigen Einschränkungen von Seenotrettungen durch Nichtregierungsorganisationen kommen darf«, sagte eine Sprecherin der Zeitung »Die Welt«. Das »Schutzniveau« für in Seenot geratene Menschen dürfe nicht sinken, sagte Außenamtssprecher Martin Schäfer am Freitag.

Es geht dabei auch um die ungehinderte Arbeit jener zivilen Seenotretter, die seit Monaten im Mittelmeer Tausende Flüchtlinge vor dem sicheren Tod gerettet haben. Nachdem die libyschen Behörden in dieser Woche bekanntgegeben hatten, dass eine »Such- und Rettungszone« eingerichtet werden solle, hatten mehrere Hilfsorganisationen ihre Mission im Mittelmeer vorübergehend eingestellt. Sie begründeten dies mit Drohungen von libyscher Seite. Bereits in der Vergangenheit hatten Boote der libyschen Küstenwache immer wieder gefährliche Situationen provoziert, mehrfach war von Schüssen berichtet worden. Die nun vorgesehene Zone soll weit über die libyschen Hoheitsgewässer hinausreichen, die Angaben schwanken zwischen 70 und 100 Kilometern Entfernung zur Küste. Ziel der libyschen Behörden ist es, Flüchtlinge an Land zurückzubringen.

Grundsätzlich verstoße die Einrichtung eines Such- und Rettungsbereichs vor der eigenen Küste nicht gegen Seevölkerrecht, so wird im Bericht der »Welt« die Position der Bundesregierung wiedergegeben. Ob im Fall Libyens die Voraussetzungen erfüllt seien, prüfe derzeit die Internationale Seeschifffahrtsorganisation, wird die Sprecherin zitiert.

Erst am Dienstag war ein Schiff der spanischen Hilfsorganisation Proactiva Open Arms von der libyschen Küstenwache beschlagnahmt worden. Der Vorfall habe sich in internationalen Gewässern ereignet, teilte die Organisation mit. Die Küstenwächter drohten auf sie zu schießen, »sollten wir ihre Befehle nicht befolgen«, twitterten die Helfer, bevor sie schließlich nach zwei Stunden voller »massiver Bedrohungen« freigegeben wurden.

Sorgen um die Sicherheit der Helfer sind nur zu berechtigt, wie ein Blick auf Zahlen nahelegt, die Mitarbeiter von Hilfsorganisationen weltweit betreffen. 288 von ihnen wurden im vergangenen Jahr Opfer von Angriffen, Attentaten oder Anschlägen, berichtete der Evangelische Pressedienst epd. 101 von ihnen starben. Sie gerieten unter Beschuss, wurden verschleppt oder vergewaltigt. In der internationalen Datenbank über die Sicherheit von Krisenhelfern komme beinahe jeden zweiten Tag ein neuer Übergriff hinzu. In diesem Jahr waren es bereits 136. Allein am vergangenen Wochenende seien sieben Weißhelme in Syrien erschossen worden. Die Agentur epd zitiert eine Flüchtlingshelferin im Mittelmeer, deren Schiff von libyschen Küstenwächtern beschossen worden sei - angeblich nur Warnschüsse: »Es handelt sich um eine völlig wahnsinnige Truppe, die wie im Wilden Westen auftritt - niemand kann sicher sein, ob er nicht von ihnen beschossen wird.«

Die Organisation Pro Asyl spricht von einem Bruch von Völker- und Menschenrechten durch EU-Mitgliedsstaaten. Die Entsendung von Schiffen der italienischen Marine zur Unterstützung der libyschen Küstenwache sei so wenig zu rechtfertigen wie die Zusammenarbeit von Deutschland und anderen EU-Staaten mit der libyschen Einheitsregierung. »Die EU hat Libyen 220 Millionen Euro zugesagt, davon 46 Millionen für die Finanzierung der Küstenwache. Obwohl Schutzsuchende in Libyen schwersten Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt werden«, so Geschäftsführer Günter Burkhardt.

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