CDU-Politiker schickt Nazispitzel
Wegen NPD-Kontakten sieht sich Bautzener Vizelandrat Rücktrittsforderungen gegenüber
Im Februar ehrte Sachsens SPD-Integrationsministerin Petra Köpping in Bautzen Menschen, die sich ehrenamtlich für Flüchtlinge engagieren. Bei dem Treffen im Kulturzentrum »Steinhaus« fiel jedoch ein Teilnehmer unangenehm auf. Für Integration sei viel Geld da, sagte Vizelandrat Udo Witschas; bei Feuerwehren und Kitas aber fehle es. Er habe »das Gefühl, dass uns die Mehrheit der Bevölkerung nicht mehr versteht«, fügte der CDU-Politiker an, es sei »viel Frust da«.
Ein halbes Jahr später wurde jetzt bekannt, dass Witschas ein ungewohnt vertrauliches Verhältnis zu einem Mann pflegte, der die aggressive Stimmung in dieser Stadt schürte, in der es seit langem Zoff zwischen Rechten und Zuwanderern gibt: zu Marco Wruck, dem Kreischef der NPD. Mit ihm soll der CDU-Mann über einen Messengerdienst intensiven Austausch geführt haben, dieser wurde durch Recherchen von MDR und »Sächsische Zeitung« später teilweise publik. Es ging darin etwa um den Umgang mit »King Abode«, einem Asylbewerber aus Libyen, dem die Stadtverwaltung Bautzen kürzlich für drei Monate den Aufenthalt in der Stadt verboten hatte. Um Genaueres zu erfahren, wollte Witschas offenbar sogar Informanten in der Naziszene anzapfen. Vom Betretungsverbot würde das »Steinhaus« wohl zuerst erfahren, schrieb der Vizelandrat an den NPD-Mann und bat: »Vielleicht haben sie da Hintergrundinformationen beziehungsweise Recherchemöglichkeiten.«
Witschas ist nicht der Erste, der in Bautzen mit Vertretern der rechtsextremen Szene redet und deren Positionen so salonfähig macht. Voriges Jahr hatten zunächst Oberbürgermeister Alexander Ahrens und dann auch CDU-Landrat Michael Harig mit Wruck & Co. konferiert – vorgeblich, um nach wiederholten Auseinandersetzungen zwischen Nazis und Flüchtlingen am Kornmarkt die Lage zu beruhigen. Die Gespräche mit dem Vertreter einer verfassungsfeindlichen Partei, der nicht einmal über ein Mandat in Stadt oder Kreis verfügt, statt dessen aber als Anmelder von Demonstrationen der Naziszene in Erscheinung tritt, hatten bundesweit für Aufsehen und Kritik gesorgt.
Auch danach hält man in Bautzen an der Linie fest. Witschas hatte Anfang August ein Gesprächsangebot unterbreitet und in Folge nicht nur mit Vertretern des »Steinhaus« geredet, sondern auch erneut mit Wruck – ganze drei Stunden lang. Erst durch die Chatprotokolle wurde allerdings publik, dass Witschas dazu gezielt auf den NPD-Mann zugegangen war. Zudem stimmten beide den Umgang mit den Medien ab.
Politiker und zivilgesellschaftliche Initiativen reagierten fassungslos. Das Bündnis »Willkommen in Bautzen« erklärte, man stelle jede Zusammenarbeit mit dem Landkreis vorläufig ein. Nur so könne man die Arbeit des Vereins sowie die dort engagierten Menschen schützen. Zugleich fordert das Bündnis den Rücktritt von Witschas.
Damit ist die Initiative nicht allein. Auch mehrere Landespolitiker halten den Vizelandrat für nicht mehr tragbar. LINKE-Landeschef Rico Gebhardt nennt Witschas eine »Gefahr für die öffentliche Sicherheit in Ostsachsen«; SPD-Generalsekretärin Daniela Kolbe bezeichnet es als »handfesten Skandal«, dass er »Insiderinformationen« an einen Funktionär einer verfassungsfeindlichen Partei übermittelt habe. Grünen-Landeschefin Christin Melcher hält den Kommunalpolitiker wegen der »Kumpanei mit NPD-Kadern« für »nicht mehr tragbar«. Und Caren Lay, Bundestagsabgeordnete der LINKEN in Bautzen, fordert, Landrat Harig müsse Witschas »fallen lassen«.
Der Vize hatte mit dem scharfem Gegenwind gerechnet. Er könne aber »einiges aushalten«, schrieb er an seinen NPD-Gesprächspartner – unter der Voraussetzung, dass »Weggefährten nicht einknicken«. Wen er damit meint, bleibt offen. Selbst in der CDU ist man offensichtlich der Ansicht, dass Witschas eine rote Linie überschritten hat. CDU-Ministerpräsident Stanislaw Tillich, der auch Landeschef der Partei ist und gemeinsam mit dem Vizelandrat im Kreisvorstand Bautzen sitzt, soll in einem Telefonat mit dem Landrat eine »zügige Klärung« der Vorkommnisse gefordert haben; er sei in »großer Sorge«, zitiert die »Sächsische Zeitung« seinen Sprecher.
Es sieht derzeit deshalb so aus, als ob sich Wrucks Beschwichtigung an seinen Gesprächspartner als Fehlannahme erweisen sollte. »Nach dem Wahlkampf«, hatte der NPD-Mann prognostiziert, »wird da niemand mehr drüber sprechen.« Dass sich Witschas so lange im Amt halten kann, erscheint nun nicht mehr wahrscheinlich.
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