Vom Patriarchat lernen?
Ingolf Bossenz über römische Diplomatie und russische Orthodoxie
Die reminiszente Verstrickung des Jahres 2017 in die Geschichte des Christenglaubens ist mindestens eine dreifache: Neben dem Reformationsgedenken 500 sind das die hundertjährigen Jubiläen der Russischen Revolution mit einer der schlimmsten Christenverfolgungen der Neuzeit sowie der Marienerscheinung im portugiesischen Fatima, die eine Konversion Russlands zum römisch-katholischen Bekenntnis prophezeite. Dass ausgerechnet jetzt ein hochrangiger Emissär des Heiligen Stuhls in Moskau sondiert, dürfte indes kaum mit der Hoffnung auf Eintritt letzterer Verheißung begründet sein.
Noch immer trennen die seit 963 Jahren separierten Anhänger von römischem Papst und russischem Patriarchen zwar nicht unbedingt Glaubenswelten, aber doch klerikale und theologische Barrieren, deren höchste die Ablehnung des pontifikalen Primats durch die Orthodoxen ist. Dennoch kam es unter Papst Franziskus zu erstaunlichen Entspannungsgesten. Vorläufiger Höhepunkt war die im vorigen Jahr in Kuba erfolgte erste Begegnung von Papst (Franziskus) und Patriarch (Kirill) seit dem Schisma von 1054.
Entgegen der »Entchristlichung« des Westens muss die russische Orthodoxie nicht über leere Gotteshäuser klagen. Dafür sorgen nicht zuletzt spirituelle Verwurzelung und nationale Traditionen - Erscheinungen, die im heutigen Europa mittlerweile suspekt sind. Das Schisma ist auch ein politisches.
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