US-Visa für Russen werden knapp
Diplomatischer Schlagabtausch Washington-Moskau führt zu Beschränkungen beim Reiseverkehr
Die »Schließung Amerikas« beklagte der »Moskowski Komsomolez« schon vor dem für Mittwoch angekündigten zehntägigen Stopp der Vergabe von US-Visa an russische Bürger, die als Touristen, zu Studienzwecken oder für eine Arbeit in die Vereinigten Staaten reisen wollen. Russlands Außenminister Sergej Lawrow beschwor sogar eine »Logik der Organisation bunter Revolutionen«. Washington würde versuchen, bei russischen Bürgern »Unzufriedenheit« mit ihrer Regierung auszulösen.
Um auch gar keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, illustrierte das für das Ausland konzipierte russische Webportal sputniknews.com das harsche Ministerwort gleich mit einer farbigen Grafik zum Thema »Methoden der ›Bunten Revolutionen‹. Politische Umstürze vom Ende des 20. - Anfang des 21. Jh.: Von der Kundgebung bis zum Krieg«.
Andrej Klimow, Vizechef des Auswärtigen Ausschusses des Föderationsrates, beeilte sich mit der Androhung »spiegelbildlicher« russischer Gegenmaßnahmen. Die sollen allerdings nicht die amerikanischen Bürger treffen, versicherte der Chef des Außenministeriums. Erst einmal wolle sich Moskau mit den Entscheidungen vertraut machen.
Zu Wochenbeginn war von der US-Botschaft in Moskau mitgeteilt worden, dass von Mittwoch an in ganz Russland keine »Nicht-Immigrationsvisa« mehr ausgegeben werden. Ab 1. September werde deren Vergabe nur noch in der Moskauer Botschaft und nicht mehr in den Konsulaten in St. Petersburg, dem sibirischen Jekaterinburg und dem fernöstlichen Wladiwostok erfolgen.
Im größten Flächenstaat der Erde aber ist die Hauptstadt nicht nur sprichwörtlich weit und sind die Wege lang. Hinzu dürften zwei Monate Wartezeit auf einen Gesprächstermin kommen. Visa werden knapp. Ein »politischer Schritt«, sagt der Analyst Michail Tatura. Im Vorjahr habe Griechenland mit einem diplomatischen Personal von 40 Personen 600 000 Visa ausgestellt, die USA aber mit weit größerer Besatzung nur 130 000 bis 180 000 geschafft. Wenn die US-Botschaft wolle, könne sie das weiterhin schaffen. Es gehe aber wohl um eine »Praxis gegenseitiger Gemeinheiten«.
Schon Mitte Juli hatte die Sprecherin des russischen Außenamtes, Maria Sacharowa, auf ihrem turnusmäßigen Briefing kritisiert, Washington habe im Dezember nicht nur 35 Diplomaten als Sanktion wegen angeblicher russischer Einmischung in die US-Wahlen als Spione ausgewiesen, sondern verweigere zudem ihren Ablösungen die Einreisepapiere.
Seit Anfang August beklagen die US-Diplomaten ihrerseits den Verlust ihrer Datscha im »Silberwäldchen« bei Moskau und eines Lagerhauses. Das war die späte »spiegelbildliche« Antwort auf eine noch von Präsident Barack Obama im Dezember verfügte Sperrung solcher Einrichtungen in den USA, die von Moskau als »russisches diplomatisches Eigentum« verteidigt werden.
Zu einer vom Kreml mit dem Amtsantritt von Donald Trump erhofften Entspannung im bilateralen Verhältnis und einer Lösung kam es nicht. Erst konnte der neue Mann im Weißen Haus gegen eine massive antirussische Kampagne nicht ankommen, inzwischen hat er das Vorhaben wohl auch aufgegeben.
Die Geste des russischen Präsidenten Wladimir Putin, auf den Washingtoner Affront souverän mit einer Einladung für US-Diplomatenkinder zum Jolkafest in den Kreml zu antworten, ist ferne Vergangenheit. Moskau beschloss Ende Juli eine Begrenzung der US-Vertretungen. »Wir schlagen der US-amerikanischen Seite vor, die zahlenmäßige Stärke des diplomatischen und technischen Personals der US-Botschaft in Moskau und der Generalkonsulate in Sankt Petersburg, Jekaterinburg und Wladiwostok in Übereinstimmung mit der zahlenmäßigen Stärke der russischen Diplomaten und technischen Mitarbeiter in den USA zu bringen«, lautete die wenig spektakuläre Aufforderung.
Danach müssen die USA bis 1. September jedoch ihre Vertretungen auf 455 Personen reduzieren. Moskau weist zwar damit keine Diplomaten als Spione aus, doch erzwingt den Abbau eines »Überhanges« von rund 750 Diplomaten und Angestellten.
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