Ganz oben wird es eng
Die Handball-Bundesliga startet in eine Saison, in der fünf Teams der Titel zugetraut wird
Jennifer Kettemann verließ die Arena in Stuttgart mit einem breiten Lächeln, die Geschäftsführerin der Löwen freute sich über den ersten Titel der noch jungen Spielzeit. Sportlich hat der Supercup keinen außergewöhnlich großen Wert, aber Siege gegen den THW Kiel sind immer besonders. So konnte Kettemann die Sorgen, die den deutschen Handballmeister derzeit umtreiben, ein paar Stunden lang vergessen.
Dauerhaft verdrängen ließen sie sich freilich nicht. Das größte Problem von Kettemann ist die Gestaltung des Spielplans. Weil ab dieser Saison der Pay-TV-Sender Sky alle Partien der Handball-Bundesliga überträgt und darauf drängt, die Spieltage ausschließlich am Donnerstag und Sonntag stattfinden zu lassen, könnte sie einen Zauberstab gut gebrauchen. Weil die eigene SAP Arena in Mannheim an vielen Terminen bereits belegt ist und zudem der Spielplan der Champions League viele Überschneidungen mit sich bringt, stehen zu Beginn der für die Löwen am Sonntag beginnenden Spielzeit noch nicht alle Termine fest.
Der neue TV-Vertrag ist deshalb in erster Linie für Kiel, die Rhein-Neckar Löwen und die SG Flensburg-Handewitt Fluch und Segen zugleich. Sie werden alle in der Champions League aktiv sein, Ansetzungsprobleme sind da programmiert. Jedoch nimmt die deutsche Handball-Liga (HBL) - und damit die Klubs - künftig knapp vier Millionen Euro jährlich ein, auch wenn sie dafür ihre Flexibilität in der Gestaltung des Spielplans verliert. Viele Fangruppierungen grollen zudem, weil künftig vier Partien an Sonntagen schon mittags um 12.30 Uhr ausgetragen werden. Eine Eskalation, wie derzeit im Fußball zu erkennen, ist nicht zu befürchten, aber großer Jubel ebenso wenig zu erwarten.
Grund zum Feiern hatten die Anhänger des SC Magdeburg in den vergangenen Monaten hingegen viel. In der Rückrunde der zurückliegenden Spielzeit avancierte das Team von Bennet Wiegert zur erfolgreichsten Mannschaft, sammelte mehr Punkte als die Löwen und landete am Ende auf dem vierten Platz. »Magdeburg hat eine Mannschaft, die um den Titel mitspielen kann«, ist Meistertrainer Nikolaj Jabobsen überzeugt. Weil den SCM mit Finn Lemke nur eine Stammkraft verlassen hat, sind die Erwartungen im Umfeld des Klubs groß, in dieser Saison von Anfang an oben mitzumischen. »Wir wollen uns ähnlich kompakt präsentieren wie in der vergangenen Saison«, sagt Wiegert. Der Trainer der Magdeburger ist kein Lautsprecher und glaubt seine Spieler noch nicht so weit, um die großen Drei dauerhaft angreifen zu können: »Wir können uns noch in allen Bereichen weiterentwickeln.«
Für ein kleines Kuriosum sorgt der SC DHfK Leipzig, denn durch ihn steht der erste Trainerwechsel der kommenden Saison bereits fest. Ab Januar übernimmt Michael Biegler die Verantwortung der Mannschaft, der sich aktuell noch mit der Frauen-Nationalmannschaft auf die Heim-Weltmeisterschaft im Dezember vorbereitet. Der bisherige Coach Christian Prokop ist künftig nur noch als Männer-Bundestrainer aktiv. Co-Trainer Andre Haber fungiert als Zwischenlösung und tritt nach der Hinrunde ins zweite Glied zurück.
Auf dem Chefsessel gab und gibt es also große Fluktuationen, während die Mannschaft fast unverändert geblieben ist. Alle wichtigen Spieler blieben in Leipzig, so dass der Kader durch die Rückkehr von Bundesligatorschützenkönig Philipp Weber (von der HSG Wetzlar) und den Transfer von Yves Kunkel (HBW Balingen-Weilstetten) Aufwertung erfahren hat. Ziel ist deshalb, den achten Platz der erfolgreichen Vorsaison zu bestätigen.
Eine Bestätigung der eigenen Vorsaison ist für den THW Kiel zu wenig. Mehr als ein Jahrzehnt lang hatten die »Zebras« den Handball in Deutschland dominiert, und mit einem knapp zehn Millionen Euro teuren Saisonetat sind die Kieler der nationalen Konkurrenz finanziell weiterhin ein gutes Stück voraus. Deshalb spiegeln dritte Plätze - wie zuletzt zwei Mal erreicht - nicht das eigene Anspruchsdenken wieder. »Alfred will und muss Titel gewinnen«, lautet die öffentlichkeitswirksame Ansage vom Kieler Manager Thorsten Storm in Richtung seines Trainers Alfred Gislason. Eine weitere Saison ohne Meisterschaft würde das erfolgsverwöhnte Umfeld des Rekordmeisters wohl nicht hinnehmen. Zwei Mal hatte der THW zuletzt ein »Übergangsjahr« (Storm) ausgerufen, was angesichts der Zusammenstellung des Kaders allerdings befremdlich wirkte. Jetzt sollen die Machtverhältnisse wieder zurechtgerückt werden.
Ein weiterer Konkurrent für die Kieler könnte mit der MT Melsungen erwachsen, denn die Mittelhessen haben auf dem Transfermarkt im Sommer die größten Spuren hinterlassen. Angetrieben durch die Investitionen der Unternehmerin Barbara Braun-Lüdicke verpflichteten die Melsunger mit dem ehemaligen Magdeburger Finn Lemke, Tobias Reichmann (KS Kielce) und Julius Kühn (VfL Gummersbach) drei deutsche Nationalspieler. »Die Breite an der Spitze ist größer geworden«, sagt Löwen-Trainer Jacobsen. Die Handballfans wird das freuen - ungeachtet des Ärgers über die neuen Anwurfzeiten am Sonntagmittag.
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