In die Balkanroute kommt wieder Bewegung

Verstärkte Sicherung von Land- und Seegrenzen führt erneut zur Verlagerung von Migrationsstrecken

  • Thomas Roser, Belgrad
  • Lesedauer: 3 Min.

Sind die vor Rumäniens Küste aufgegriffenen Flüchtlingsboote Einzelfälle oder Vorboten einer neuen Schlepperroute über das Schwarze Meer? Am Wochenende spürte Rumäniens Küstenwacht unweit der Hafenstadt Constanta zum zweiten Mal innerhalb von acht Tagen ein aus der Türkei stammendes Fischerboot mit 70 Flüchtlingen aus Syrien und Irak auf. Zuletzt war ein Schlepperboot im September 2015 vor der Schwarzmeerküste des Karpatenstaats aufgegriffen worden. Im vergangenen Jahr wies die Statistik nur einen Flüchtling auf, der die illegale Einreise über das Meer versuchte.

Gegenüber der Nachrichtenagentur BIRN äußerte ein Mitarbeiter der rumänischen Immigrationsbehörden in dieser Woche denn auch die Vermutung, dass Schleppernetzwerke wegen der erschwerten Mittelmeerpassage nach Italien derzeit »neue Routen austesten« würden. »Eine davon geht über das Schwarze Meer und Rumänien.« Auch über den Landweg von Bulgarien vermelden die Grenzbehörden an der Schwarzmeerküste vermehrte Schlepperaktivität. Im Landesinnern ist die Donau auf 470 der 605 Kilometer der gemeinsamen Grenze mit Bulgarien für die Schlepper eine natürliche Barriere. Offiziell gilt der Flüchtlingskorridor über die Balkanroute schon seit Frühjahr vorigen Jahres als abgeriegelt. Doch die Route ist - wenn auch in erheblich geringerem Maße - weiter aktiv.

Die meisten der von der Türkei einreisenden Transitflüchtlinge versuchten bisher, über Bulgarien und Serbien nach Westen zu gelangen. Wegen des mehrfach verstärkten Grenzzauns zwischen Ungarn und Serbien scheint jedoch vermehrt auch Rumänien zum Transitland für Schlepper-Transporte zu werden.

In den ersten sechs Monaten dieses Jahres hat sich die Zahl der vom rumänischen Grenzschutz aufgegriffenen Migranten mit 2474 gegenüber dem Vorjahr fast verdoppelt, die an der Nordwestgrenze zu Serbien und Ungarn gar verdreifacht. Galt die ungarisch-rumänische Grenze zunächst als Ausweichroute für in Serbien gestrandete Flüchtlinge, deuten die in den letzten Monaten in Bulgarien und Rumänien aufgespürten Schlepperlastwagen darauf hin, dass sich die sehr bewegliche Balkanroute nach Osten zu verschieben beginnt: Vermehrt steuern aus der Türkei nach Bulgarien gelangende Schleppertransporte direkt die ungarisch-rumänische Grenze ohne den Umweg nach Serbien an. Das Ausweichen auf das Schwarze Meer scheint auch eine Reaktion auf die verschärften Kontrollen an der weitgehend abgezäunten Landgrenze zwischen Bulgarien und der Türkei zu sein. Erst vergangene Woche kündigte Bulgariens neue rechtsnationale Regierung an, trotz stark gesunkener Flüchtlingszahlen mit der Armee die Absicherung seiner Grenzen zu verstärken.

Der wegen der häufigeren Patrouillen der libyschen Küstenwacht reduzierte Flüchtlingstransfer über die Mittelmeerroute nach Italien geht nicht nur in Spanien mit einer erhöhten Zahl von Neuankömmlingen einher. Am vergangenen Wochenende wurden auf den griechischen Inseln in der Ägäis mit 633 Flüchtlingen deutlich mehr Migranten als in den Vormonaten registriert, in denen der Durchschnitt bei rund 70 Ankünften pro Tag lag: Allein am Samstag seien 308 Ankünfte registriert worden, so die griechische Küstenwacht. Auch an der griechisch-türkischen Landgrenze registriert die Polizei verstärkte Schlepperaktivitäten.

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