Dem braunen Affen Zucker geben

Markus Mohr ist böse auf den Bundesinnenminister. Der Grund ist das Verbot der linksradikalen Internetplattform linksunten.indymedia

  • Markus Mohr
  • Lesedauer: 5 Min.

Am vergangenen Freitag informierte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) auf einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz über das via Vereinsrecht verhängte Verbot der Internetplattform linksunten.indymedia. Er sagte unter anderem: »Seit 5:30 durchsuchen Polizeikräfte aus Baden-Württemberg mehrere Objekte in diesem Bundesland, die mit dem Betrieb der Plattform und dem Betreiberkreis in unmittelbarem Zusammenhang stehen. Bei den Durchsuchungen wurden, ... auch gefunden: Messer, Schlagstöcke, Rohre, Zwillen, Teleskopschlagstöcke, Butterfly-Messer, also alles typische Gegenstände, die wir aus dem gewaltbereiten Linksextremismus kennen.« Die besagten Waffen finden sich alle auf einem Foto des Landeskriminalamtes Baden-Württemberg. Betrachtet man diese hübsch drapierte Waffenaufreihung genau, dann sieht man, dass es den Einsatzkräften sogar gelungen zu sein scheint, dem »gewaltbereiten Linksextremismus« auch noch zwei paar Lederhandschuhe zu entreißen.

Eigentümlicherweise wurde eben das von de Maizière in seinem Statement verschwiegen. Und überhaupt: Wurden denn bei den Durchsuchungen der mutmaßlichen Betreiber von indymedia.linksunten nicht auch ein paar leere Flaschen gefunden? Hier gilt doch allemal der entscheidende Hinweis aus dem »Rauch-Haus-Song« der Rockband Ton, Steine Scherben aus den frühen 1970er Jahren: »Und die deutlichen Beweise war‘n zehn leere Flaschen Wein / Und zehn leere Flaschen können schnell zehn Mollis sein«?

Nun haben Nachfragen ergeben, dass die jenseits des Kriegswaffenkontrollgesetzes zu qualifizierenden Waffen, die man alle naselang zuhauf bei Durchsuchungen von Nazis auffinden kann, gar nicht bei den mutmaßlichen linksunten-Aktivisten, sondern irgendwo in der Nähe des autonomen Zentrums KTS in Freiburg gefunden sein sollen. Das lässt die markanten Aussagen des Bundesinnenministers zum »gewaltbereiten Linksextremismus« in Gestalt von linksunten.indymedia wahrlich in einem Zwielicht erscheinen. Denn so zeigt sich schon bei diesem Detail, dass es sich bei der Begründung der Staatsaktion gegen linksunten.indymedia um die Abfolge von Betrug, Lüge und Manipulation handelt. Und eben das ist immer auch der alte Subsound des Faschismus, der in einer leicht abgewandelten Formulierung des Historikers Sebastian Haffner schlicht bedeutet: »Die Staatsgewalt braucht die Lüge und die Lüge braucht die Gewalt.«

Der Zugriff des Bundesinnenministeriums auf linksunten.indymedia ist ein weiterer Racheakt nach der Resistenz von Hamburg Anfang Juli, die den Ablauf des G20-Spektakels erfolgreich durcheinander gebracht hat. Er dient, wie der Maschinengewehrauftritt von Spezialeinheiten im Schanzenviertel in der Nacht vom 7. auf den 8. Juli dazu, dem in allen Fragen zur inneren Sicherheit schon lange mit am Tisch sitzenden braunen Affen in Gestalt von AfD, Pegida und vielen anderen Nazis Zucker zu geben. Hier finden sich dann so einige vereint. Der Polizeidirektor und CDU-Bundestagsabgeordnete Armin Schuster forderte direkt nach dem G20 die »Schließung bekannter Zentren der linken Szene«,
»Bild« versucht seit Wochen, einen »Aufstand der Nachbarn« gegen die Rote Flora herbei zu halluzinieren, und die Alterspräsidentin des Landtages von Mecklenburg-Vorpommern, Christel Weißig (AfD), träumte für ein paar Stunden öffentlich davon, Plünderer – ganz wie in den guten alten Zeiten – wieder erschießen zu können.

Doch so weit ist es glücklicherweise ja noch nicht. Doch immerhin hat nun de Maizières Ministerium mit der Zwangsabschaltung von linksunten.indymedia dafür gesorgt, dass eine der umfangreichsten Informationssammlungen über Nazis im deutschsprachigen Raum gelöscht ist. Auch von mir sind nunmehr eine Reihe von Beiträgen, die auf die Internetplattform gelangt sind, in denen ich die staatliche Extremismusprävention schlecht gemacht habe, verschwunden. Das nehme ich dem Bundesinnenminister persönlich übel.

Ansonsten kann man sich gut vorstellen, wie Verfassungsschützer, Politiker und Nazis über die Liquidation von linksunten.indymedia feixen und sich die Hände reiben. Wenn hier eine gewiefter Kommentator der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung« eben das als »Verbot zum Schutz der Friedfertigen« rechtfertigt, so führt er seine Leser in die Irre. Oder er muss präzise ausführen, dass es aus seiner Sicht gerade die Gedankenlosen, die Konformisten und die Nazis sind, die er allein für »friedfertig« hält.

GenossInnen von linksunten.indymedia haben – kurz bevor die Seite offline ging – noch einen wichtigen Hinweis an uns alle übermittelt: »Dieser Angriff auf unsere Strukturen ist ernst! Wir müssen uns verteidigen! Rote Flora, Black Triangle, Rigaer, Indymedia, one fight!« Bislang sind die seit Hamburg in der Öffentlichkeit namentlich als Brutstätten des Linksextremismus markierten autonomen Zentren diesen Attacken mit einer umfassenden Schweigestrategie begegnet. Sie gründet vielleicht auf der Hypothese, dass das staatlich camouflierte Linksextremismus-Bashing beizeiten wieder in Vergessenheit geraten wird. Diese Schweigestrategie kann nunmehr als gescheitert angesehen werden. Die überwältigende Mehrheit der hiesigen Bevölkerung hat nunmehr ein Recht darauf zu erfahren, warum die Weiterexistenz autonomer Zentren in der Bundesrepublik auch für sie richtig, notwendig und zielführend ist.

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