Pervertierte Konkurrenz

Die Pleite von Air Berlin war absehbar, meint Heinz-J. Bontrup . Und das Sterben der Fluglinien wird sich fortsetzen

  • Heinz-J. Bontrup
  • Lesedauer: 3 Min.

Ein Kapitalist schlägt viele andere tot. Mal wieder hat sich die Analyse von Karl Marx im 150. Jahr seiner Veröffentlichung von Band 1 des Kapitals mit der Pleite Air Berlins, der zweitgrößten börsennotierten deutschen Airline, bestätigt. Jetzt ist man, vor allen Dingen in der Politik, ganz entsetzt darüber, dass der kapitalismusimmanente Konkurrenzkampf um maximale Profitraten ein neues Opfer verlangt hat. Auch 10 300 andere Unternehmen meldeten in Deutschland, nur im ersten Halbjahr 2017, Insolvenz an. Zumeist sogenannte Mittelständler, über die allerdings keiner spricht.

Die Pleite von Air Berlin war seit langem absehbar und es werden noch weitere Airlines folgen. Der entscheidende Grund: Am Fliegerhimmel tobt ein erbarmungsloser Preiskampf mit Billigtarifen. Auf vielen Flügen decken die Preise nicht einmal die Kerosinkosten. Welch eine selbstzerstörende Pervertierung des Konkurrenzsystems. Darüber wollen die radikalen Marktapologeten aber nicht reden. Und die großen Umweltschäden der Vielfliegerei werden gerne verdrängt. In den Flugtickets mit dann entsprechend hohen Preisen werden die Umweltkosten jedenfalls nicht internalisiert. So gibt der Preis an die Nachfrager ständig die falschen Signale und es kommt zu gesamtwirtschaftlichen Ineffizienzen und Fehlallokationen. Die Externalisierung der Umweltkosten verhindert hier ein nachhaltiges Wirtschaften.

Über die Insolvenz von Air Berlin freuen sich jedoch die »überlebenden« Konkurrenten, weil sie damit ihrem Ziel einer Marktbeherrschung immer näher kommen. Kein Unternehmer will das Verhältnis der Konkurrenz. Erst im Monopol vollendet sich die Forderung nach maximaler Rendite, so wie sich jeweils der Krieg der Konkurrenz in der Hoffnung eines jeden Wettbewerbers nach der Überwältigung der anderen erfüllt.

Die Lufthansa als Marktführer am deutschen Himmel lauert schon im Zuge des Konkurrenzkampfes auf billige Beute, wenn die wirtschaftlichen Reste von Air Berlin unter den Konkurrenten verteilt werden sollen. Auch die Cook-Tochter Condor will wohl bei der Verteilung mitbieten. Der Rest wird platt gemacht - wie in solchen Fällen immer. Und die überwiegende Mehrheit der noch 8000 Beschäftigten wird in die Arbeitslosigkeit geschickt.

Am Ende fehlte Air Berlin im pervertierten Konkurrenzkampf das liebe Geld. Der mit 29,2 Prozent größte Shareholder, die Fluggesellschaft Etihad aus Abu Dhabi, wollte nicht noch mehr als bereits eine Milliarde Euro verlieren und hat den Geldhahn zugedreht. Damit blieb dem Vorstand von Air Berlin am 15. August keine Option mehr. Es kam zur Insolvenzanmeldung. Die Verluste, die Air Berlin von 2010 bis 2016 kumuliert mit 2,3 Milliarden Euro eingeflogen hat, sind - bei jahresdurchschnittlich 4,1 Milliarden Euro Umsatzerlösen - gigantisch hoch. Dies entspricht in den vergangenen sieben Jahren einer durchschnittlichen Umsatzrendite von -8,2 Prozent.

Pleite ist Air Berlin, die zur Umgehung der deutschen Unternehmensmitbestimmung als eine Aktiengesellschaft nach britischem Recht firmiert, aber nicht erst seit heute. 2013 weist die Bilanz schon ein negatives Eigenkapital von 187 Millionen Euro aus. Bis Ende 2016 wurden daraus gut 1,8 Milliarden Euro mehr Schulden als Vermögen. Dass bei der Fluglinie nicht schon 2013 ein Insolvenzverwalter an Bord kam, lag ausschließlich an einer Patronatserklärung der Eigentümer. Die werden jetzt ihr eingesetztes Geld verlieren.

Dass die Bundesregierung mit 150 Millionen Euro Liquiditätssicherung den sofortigen Exitus von Air Berlin verhindert, kann man mit dem Argument akzeptieren, dass Zehntausende Air-Berlin-Kunden aus ihren Urlaubsgebieten noch nach Hause müssen. Dagegen opponiert aber der irische Konkurrent und Billigflieger Ryanair und hat Beschwerde beim Bundeskartellamt und der EU-Wettbewerbskommission eingereicht. Auch wegen einer womöglichen Übernahme von Air Berlin durch die Lufthansa.

Das »Wolfsgesetz der Konkurrenz« wirkt also munter weiter. Wie paradox dies am Ende aber ist, zeigt sich darin, dass dem unsäglichen Billigfliegen nur durch die Aufhebung der Konkurrenz der Garaus gemacht werden kann. Bei dann steigenden Flugpreisen würde die preiselastische Nachfrage zurückgehen. Die Umwelt wird sich bedanken. Der Preis wäre aber ein privatwirtschaftliches Monopol am Flughimmel und der Kapitalismus in Vollendung am Ziel.

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