»Grüne Policen« digital ein Bestseller?

»Grün versichert«

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 4 Min.

Mit Sex-Partys in Budapest oder auf Jamaika wurden erfolgreiche Vertreter der Ergo-Versicherung belohnt. Seit jener Skandal vor fünf Jahren öffentlich wurde, hat Ergo wirtschaftlich deutlich an Boden verloren. Inzwischen will der Düsseldorfer Versicherungskonzern bis zum Jahr 2020 rund 1800 Jobs allein in Deutschland streichen. Gleichzeitig investiert Ergo in neue Techniken und neue Produkte. Die Zukunft sei digital, heißt es in der Tochtergesellschaft des weltgrößten Rückversicherers, der Münchner Rück.

Ergo treibt deshalb künftig auf dem Start-up-Campus »Factory Berlin« sogenannte Innovationsprojekte voran und will mit jungen Unternehmen (»Start-ups«) eng zusammenarbeiten. Eine der großen Versicherungsgruppen in Deutschland und Europa will von jungen Leuten lernen? »Wir wollen Trends und Chancen rascher erkennen«, erklärt Mark Klein, »Chief Digital Officer« von Ergo. Das Potenzial von Innovationen und Digitalisierung soll gehoben werden.

Gleiches kann man bei der Konkurrenz hören, von Allianz bis Zurich, dem größten Versicherer in der Schweiz. Damit es bei der früheren Hamburg-Mannheimer besser klappt, wurde das digitale Geschäft vom traditionellen Geschäft abgetrennt. Damit sieht sich Ergo in der Versicherungsbranche auf einem eigenen, neuen Weg.

Banken haben es vorgemacht

Ganz so neu ist das alles aber doch nicht. Die Banken haben es vorgemacht. Online-Banking, um ein Beispiel zu nennen, ist längst ein Kassenschlager. Und durch die Digitalisierung ergaben sich für das Management neue Möglichkeiten, zu rationalisieren und Arbeitsplätze zu streichen. Und mit innovativen Jungspunden haben Großbanken ebenfalls zunächst zusammengearbeitet, um dann die überlebenden, lukrativ erscheinenden »Fintechs« ans eigene Haus zu binden oder aufzukaufen.

Auch in der Versicherungsbranche selbst können einfache Verträge bereits weitgehend im Internet abgeschlossen werden. Doch was hat der Verbraucher davon? Digitale Verbraucherportale, die Produkte mehr oder weniger unabhängig und umfassend vergleichen, setzen die Versicherer mittlerweile bei Preisen und Dienstleistungen gehörig unter Druck. Ernste Klagen über schlechten Service, wenn ein Versicherungsfall eingetreten ist, sind laut Ombudsmann weniger geworden.

Gleichzeitig, so ein Insider, entwickelte sich über das Internet und die interne Digitalisierung eine »Tendenz zur Individualisierung« von Verträgen. Davon haben manche Verbrauchergruppen wie Nichtraucher oder Garagenbesitzer profitiert, andere, wie Männer in der Rentenversicherung, zahlen drauf.

Grundsätzlich widerspricht aber die Individualisierung dem Versicherungsgedanken, wonach eine Gruppe solidarisch Risiken trägt. Durchschlagende Innovationen im Massengeschäft blieben jedoch aus. Das soll sich fortan ändern, nicht allein bei Ergo. Wer als Verbraucher auf Nachhaltigkeit achten möchte, findet bei vielen Produkten eine große Auswahl: Nur bei der Versicherung hapert es noch.

Öko-Tarife für jedermann

Startup-Gründer Fabrice Gerdes will genau das ändern. Über die Crowdinvesting-Plattform Companisto sammelte er Kapital ein. Über Gerdes' Internetplattform »Grün versichert« (www.gruen-versichert.de) kann sich nun jeder bundesweit »nachhaltig und ökologisch« absichern. Verträge können bundesweit auch über Makler und Vergleichsportale abgeschlossen werden.

»Grün versichert« vertreibt sechs Tarife in den Bereichen private Haftpflichtversicherung, Hausratversicherung, Tierhalterhaftpflichtversicherung, Wohngebäudeversicherung, Unfallversicherung sowie Kfz-Versicherung.

Das Besondere: »Unsere Partner müssen sich verpflichten, bestimmte positive Kriterien zu beachten, beispielsweise müssen Projekte klimaneutral, tierschutzkonform oder eben nachhaltig sein«, so Gerdes. Ein klares Ausschlusskriterium seien Rüstungsgeschäfte, Massentierhaltung, Kern- oder Kohlekraft.

Dazu bietet Gerdes seinen Kunden zusätzliche Bonbons an: Schließt ein Kunde beispielsweise eine Hausratsversicherung ab, erhält er bis zu 60 Prozent mehr für eine Wiederbeschaffung, wenn das neue Gerät energiesparend ist. Auch Transparenz soll groß geschrieben werden. Informationen über die Anlagen sollen Kunden der »Grün versichert«-Tarife - anders als bei herkömmlichen Policen üblich - einmal im Jahr erhalten.

Verbraucherschützer bleiben erst einmal skeptisch. Man wisse nicht, ob auch wirklich drinsteckt, was draufsteht. In der Vergangenheit waren Öko-Versicherungen an fehlender Nachfrage gescheitert. Außerdem bietet »Grün versichert« lediglich Sachversicherungen an. Bei Leben- und Rentenversicherungen fließen weit höhere Geldbeträge und die sind entsprechend schwieriger nachhaltig anzulegen.

Vielleicht fällt der Ergo-Versicherung und seinen Jungspunden dazu etwas ein.

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