Gute Arbeitsplätze für alle
Vor dem Sozialgipfel kommende Woche stellten die Verbände ihre Forderungen auf
Die Berliner Sozialverbände laden am kommenden Dienstag zum achten Berliner Sozialgipfel in das DGB-Gewerkschaftshaus am Wittenbergplatz in Schöneberg. Dort wollen sie mit den Spitzenkandidaten von CDU, SPD, Grünen und LINKEN über soziale Themen diskutieren.
Am Donnerstag stellten die Sozialverbände schon einmal die inhaltlichen Schwerpunkte vor, die im Hinblick auf die Bundestagswahl aus ihrer Sicht am Drängendsten sind. So müssten die Lebensbedingungen von Menschen mit geringem Einkommen, Rentnern, Kindern, Geflüchteten und Behinderten verbessert werden. Es bestehe »höchste Alarmstufe«, sagte Doro Zinke, DGB-Vorsitzende in Berlin-Brandenburg.
Vor allem sei es wichtig, die Arbeitsverhältnisse zu verbessern. Dafür müssten Leiharbeit und befristete Beschäftigung eingeschränkt werden. »Wir haben viel zu viele arme Beschäftigte«, sagte Zinke. Das treffe vor allem Frauen, da es für sie nach einer Elternpause oftmals schwer sei, wieder eine Vollzeitbeschäftigung aufzunehmen. Bei Leiharbeit und Befristung sei in letzter Zeit wieder ein deutlicher Anstieg zu verzeichnen.
Ursula Engelen-Kefer vom Sozialverband Deutschland rückte die aus ihrer Sicht schikanösen Umstände der Hartz-IV-Gesetzgebung in den Mittelpunkt. »Hartz IV halte ich für grundfalsch«, sagte das langjährige SPD-Mitglied. Vor allem müsste der Regelsatz von momentan 416 Euro angehoben werden und die Zwangsverrentung von Hartz-IV-Empfängern mit deutlichen Renteneinschnitten gestoppt werden, ist Engelen-Kefer überzeugt.
DBG-Landeschefin Zinke betonte, dass schon die momentane Regelrente für viele nicht mehr ausreiche und immer mehr Personen auf staatliche Grundsicherung im Alter angewiesen seien. So würden, dass habe der Rentenreport des DGB für 2017 eindeutig festgestellt, in Brandenburg über 21 Prozent der Frauen unter 750 Euro Rente bekommen. Das Rentenniveau müsse dringend wieder auf 50 Prozent des Erwerbseinkommens angehoben werden.
Dass dies auch möglich sei, hätten Berechnungen des DGB nachgewiesen. Stellschrauben gebe es immerhin viele: »Arbeitgeber müssen wieder paritätisch an den Sozialversicherungen beteiligt werden und sozialpolitische Maßnahmen, wie die Mütterrente, aus Steuereinnahmen beglichen werden«, erklärte Zinke.
Solo-Selbstständige müssten zudem in die gesetzliche Rentenversicherung einbezogen werden. Große Sorgen machen den Sozialverbänden auch die gestiegenen Wohnkosten. Rainer Wild vom Berliner Mieterverein berichtete, dass vor allem Modernisierungen und der neue Mietspiegel zu »kaum tragbaren Mietsteigerungen« für viele Haushalte mit niedrigem Einkommen führen würden. Die Mietpreisbremse habe sich als weitgehend wirkungslos entpuppt. »Wir brauchen dringend besseren Schutz vor Mieterhöhungen«, forderte Wild.
Auch in Bezug auf die Bodenpolitik müsse die Bundesregierung endlich handeln. »60 Prozent Anstieg des Bodenpreises im Jahr ist viel zu viel. Da braucht es Regulierungen und steuerrechtliche Eingriffe.«
Neben den Alten und Armen sei es aber auch wichtig, Kinder in den Blick zu nehmen.
Berlin sei die Hauptstadt der Armut bei Alleinerziehenden, sagte Ute Kumpf von der Arbeiterwohlfahrt (AWO). Diese Armut wirke sich auch vor allem auf die Kinder aus. Außerdem müsse die Kleinstaaterei bei der Bildung aufhören. »Der Bund soll den Kommunen mehr unter die Arme greifen dürfen und es braucht ein einheitliches Qualitätsgesetz in der Bildung«, so Kumpf. Denn: »Kinder sind unsere Zukunft.«
Ingeborg Simon, stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Volkssolidarität, hat in Erfahrung gebracht, dass »82 Prozent der Kinder von Flüchtlingen in unseren Einrichtungen in Berlin momentan keinen Kitaplatz finden«. In der Flüchtlingspolitik blockiere die Bundesregierung momentan alle durchaus guten in Berlin erarbeiteten Ansätze. Mit Blick auf die Bundestagswahl zeigte sie sich angesichts der zu erwartenden Koalitionen wenig optimistisch. Im Gegenteil habe sie kein gutes Gefühl. »Das ist wirklich eine beschissene Perspektive«, wurde das Mitglied der Volkssolidarität deutlich. Simon verwies auf die Möglichkeiten außerparlamentarischer Oppositionsarbeit, die es auch unter der neuen Bundesregierung für die Sozialverbände zu nutzen gelte.
»Wir müssen wieder mehr Gegenöffentlichkeit schaffen«, sagte Simon kämpferisch.
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