Wahlen bei sinkenden Ölpreisen

In Norwegen könnten die Konservativen erstmals die Sozialdemokraten überholen

  • Bengt Arvidsson, Stockholm
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Wahlen zum norwegischen Parlament, dem Storting, an diesem Montag dürften spannend werden. Überraschend führt der Rechtsblock von Norwegens bürgerlicher Ministerpräsidentin Erna Solberg, 56, inzwischen die Umfragen knapp an. Sie könnte erstmals in 100 Jahren sogar etwas mehr Stimmen auf ihre Höyre Partei vereinen als ihr sozialdemokratischer Widersacher Jonas Gahr Store. »Erna er stjerna« (Erna ist der Star) lautet der recht banale, aber anscheinend wirksame Wahlspruch der sehr energischen Ministerpräsidentin. Dabei blickt Solberg auf vier äußerst schwierige Regierungsjahre zurück. Erstmals in der Geschichte des Landes hatte sie bei ihrem Amtsantritt 2013 die rechtspopulistische Fortschrittspartei (FRP), in der Massenmörder Anders Behring Breivik einmal aktives Mitglied war, in die Regierung geholt.

Sowohl die liberale Venstrepartei als auch die Christdemokraten weigerten sich, mit der FRP am Kabinettstisch zu sitzen, stützten Solbergs Minderheitsregierung dann aber doch indirekt. Doch ständig gab es Streit und Regierungskrisen. Erst kürzlich kritisierte die FRP-Einwanderungsministerin Sylvi Listhaug die Christdemokraten, weil sie angeblich »Imamen den Rücken lecken«.

Die FRP gilt trotz markigen Stellungnahmen zu Einwanderern, die sich laut Listhaug etwa mit Schweinefleisch und Alkohol anfreunden sollten, vielen Norwegern als relativ moderate Protestpartei. In der Tat ist die FRP vor allem mit der Forderung groß geworden, mehr Geld aus den Öleinnahmen für Steuersenkungen und Wohlfahrt auszugeben, statt es zu sparen.

Doch in der Regierung büßte die Fortschrittspartei an Profil ein, musste viele Kompromisse eingehen, verlor ihren attraktiven Proteststatus und in Umfragen rund ein Drittel ihrer Wähler. Seit 2014 machen dem Land, das dank seiner Ölvorkommen das reichste Land Europas ist, die niedrigen Ölpreise zu schaffen. In West- und Südnorwegen strich die Ölindustrie rund 50 000 Stellen und viele kostenintensive Projekte. Die Arbeitslosigkeit stieg, wenn auch auf niedrigem Niveau.

Meinungsumfragen sahen den vom Sozialdemokraten Jonas Gahr Store angeführten Linksblock ein knappes Jahr lang in Führung. Er zeichnete im Wahlkampf ein düsteres Bild von Norwegen, das am Ende seiner goldenen Ära angelangt sei und nun vor einer »Schicksalswahl« stehe. Doch das nehmen die Norweger ihm inzwischen kaum noch ab.

Dank deutlich besserer Wirtschaftsdaten wendete sich in diesem Sommer das Blatt zugunsten von Solbergs Höyre und der FRP, die mit aktuell rund 24 beziehungsweise 17 Prozent in den Umfragen ungefähr genauso viele Stimmen wie 2013 erreichen. Die Sozialdemokraten haben mit rund 26 Prozent in den Umfragen fünf Prozent zur letzten Wahl verloren. Die Grünen könnten erstmals über die Vierprozenthürde kommen. Sie fordern, die Ölförderung in den nächsten 15 Jahren ganz abzuwickeln und alle Projekte zur Erschließung neuer Quellen sofort einzustellen.

Solberg will dagegen nach deutlich mehr Öl bohren lassen, auch weiter nördlich in den ökologisch sensiblen arktischen Gewässern, um die niedrigeren Einnahmen zu kompensieren. Auch will sie die Wirtschaft mit niedrigeren Steuern ankurbeln, während die Sozialdemokraten höhere Steuern für Besserverdienende durchsetzen möchten. Eine wichtige Frage für das Land, das nicht Mitglied der Europäischen Union ist, aber der Europäischen Freihandelsassoziation EFTA und der NATO angehört, ist die Sicherheitspolitik gegenüber Russland, mit dem man um die Ölförderung in der Arktis feilscht.

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