Die böse CDU!

Andreas Koristka über den Pragmatismus von Manuela Schwesig und deren Schulwahl für ihren Sohn

Manuela Schwesig gilt zu Recht als das soziale Gewissen der Sozialdemokratie. Wenn es nur nach ihr ginge, dann müsste man Hartz-IV-Kindern Schwimmflügel anlegen, damit sie nicht im vielen Kindergeld ertrinken. Aber leider, leider geht es nicht nur nach ihr, sondern hin und wieder auch nach dem Koalitionspartner von der CDU. Das wird Manuela Schwesig selbst am meisten ärgern. Umso gemeiner ist die neueste Hetzkampagne gegen ihre Person: Man wirft Schwesig vor, ihren Sohn auf eine Privatschule in Schwerin zu schicken und dafür monatlich 200 Euro Schulgeld zu bezahlen.

Schwesigs »Affäre« erinnert fatal an jene von Peer Steinbrück, dem man partout nicht verzeihen konnte, sich keinen Rotwein aus dem Tetrapack runterzuwürgen. Die Kritiker der beiden Genossen müssen aber erst einmal erklären, warum Sozialdemokraten nicht die Vorzüge des Lebens und ihr vieles Geld genießen dürfen, wenn sie schon tagein tagaus dazu gezwungen sind, gemeinsam mit der CDU - aber eben auch gegen ihren Willen - eine gerechtere Welt zu erschaffen.

Schließlich braucht der Mensch einen Ausgleich im Leben. Manuela Schwesig hat so viel zu tun: Regierungsgeschäfte tätigen, Grundsteine legen, die Traumfigur wahren… Da möchte sie den kleinen Luxus genießen, dass wenigstens die Schule ihres Sohnes eine sichere Bank ist, um die sie sich keine Sorgen machen muss. Und wer bitteschön würde denn nicht wollen, dass sein Kind die bestmögliche Ausbildung erfährt? Wer würde nicht mit aller Kraft vermeiden wollen, dass das Kind im Unterricht neben irgendeinem dahergelaufenen Schweriner Prekariatskind sitzen muss. Einem Kind, bei dem die Eltern vielleicht nicht so hinterher sind wie die mecklenburgische Ministerpräsidentin, einem Kind, das Umgang mit Lebensmitteln aus konventioneller Landwirtschaft hat und - Gott behüte - nicht einmal eine Nahrungsmittelunverträglichkeit genießt oder - man schaudert, wenn man es ausspricht - monolingual erzogen wird! Wer kann nicht verstehen, wenn es einer treu sorgenden Mutter beim bloßen Gedanken daran ein wenig ekelt?

Nein, niemand kann aus bloßem Hass Manuela Schwesig zwingen, ihr Kind den Unbilden einer sozialen Vermengung auszusetzen. Und wer es dennoch tut, dem sei gesagt, dass er mal eine Schweriner Schule besuchen sollte! Die Zustände dort erinnern erschreckend an Sister Act II, nur dass es in Mecklenburg keine tollen Musiklehrerinnen gibt, die die Klassen zum Finale der amerikanischen Chormeisterschaften führen. Überhaupt: Schwerin! Wer schon einmal in der kleinsten Landeshauptstadt Deutschlands zu Besuch war, wird bestätigen können, dass sich dort jeden Tag Obdachlose, Junkies und Tagestouristen an den brennenden Mülltonnen wärmen, bis kurz vor 20 Uhr die Bürgersteige hochgeklappt werden. In dieser Umgebung muss man doppelt darauf achten, was man seiner geliebten Leibesfrucht zumuten darf!

Manuela Schwesig weiß um die Missstände, die sie umgeben. Als frisch gekürte Ministerpräsidentin wird sie sicherlich alles daran setzen, sie zu ändern. Denn alle sollen die gleichen Chancen haben. Das ist seit jeher das ureigenste Mantra der Sozialdemokratie. Aber es ist eben auch Fernziel. Bis dieses erreicht ist, gibt es keine richtige Sozialdemokratie in der falschen - und schon gar nicht in der SPD! In dieser ausweglosen Lage hilft Pragmatismus. Denn wenn nicht schon heute alle die gleichen Chancen haben können, dann sollen wenigstens Manuela Schwesigs Kinder sie haben. Dann ist die Welt wenigstens ein kleines Stück besser geworden! Jetzt muss nur noch dafür gesorgt werden, dass alle anderen Kinder auch auf Privatschulen gehen können - vielleicht sogar kostenlos! Wie das geschehen soll, ist noch nicht ganz klar. Aber Manuela Schwesig wird es schon irgendwie hinkriegen! Nur die CDU darf nicht dazwischenkommen ...

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