Sie spielen gern für die Nationalmannschaft

In die Team-EM gehen die deutschen Tischtennisspieler als Gejagte. Die Frauen müssen ein paar Ausfälle verkraften

Jie Schöpp dürfte froh darüber sein, dass das Turnier, dass an diesem Mittwoch in Luxemburg beginnt, »nur« eine Europameisterschaft ist. Bei Welttitelkämpfen hätte die Tischtennis-Bundestrainerin gleich vier Spitzenspielerinnen ersetzen müssen. So sind es erst mal nur zwei, und die Deutschen dürfen sich noch als Mitfavoriten ansehen. Experten sagen sogar den vierten Titel bei der Mannschafts-EM voraus, denn mit Han Ying und Shan Xiona stehen die besten Europäerinnen für Deutschland an der Platte. Das dürfen die beiden in China geborenen Spielerinnen bei Welttitelkämpfen nie. In Europa aber sieht man die Frage des Nationenwechsels nicht ganz so eng.

So kann Jie Schöpp den Ausfall der verletzten Petrissa Solja und die schwangerschaftsbedingte Absage der die deutschen Meisterin Kristin Silbereisen verkraften. Zudem ist Sabine Winter gerade erst von einer Blinddarmoperation genesen. Einen ersten Test in der Bundesliga hatte sie vor wenigen Tagen aber schmerzfrei bestanden. »Mir schien es so, als hätte nach Olympia eine Pechsträhne angefangen. Aber wir wollen gegen jeden gewinnen. Wir haben Selbstvertrauen und die Erfahrung, wie man Titel holt«, sagt Schöpp.

Jene Erfahrung besitzen besonders Shan und Han. Beide wurden erst viele Jahre, nachdem sie sich in Deutschland angesiedelt hatten, eingebürgert. Trotzdem verwehrt der Weltverband ITTF und anderen Chinesinnen, die erst nach dem 21. Lebensjahr die Nationalität wechseln, das WM-Startrecht. So sollen einheimische Talente überall sonst auf der Welt gefördert und der Eindruck verhindert werden, dass eine WM nur eine chinesische Meisterschaft ist.

Den Chinesen ist das übrigens alles egal. Im Wissen, auch so die besten Spieler zu haben - es gehen ja nur diejenigen, die es nicht in den Kader schaffen -, hätten sie nichts gegen ein bisschen mehr Gegenwehr hier und da. Da auch die anderen Nationen gern immer ihre Besten einsetzen würden, egal wo sie geboren wurden, bleibt nur die ITTF, die an den unterschiedlichen Regeln festhält. »Der DTTB hätte nichts gegen eine Vereinheitlichung, vielleicht mit der Voraussetzung von längeren Wartezeiten bei Nationenwechseln«, sagt der Sportdirektor des Deutschen Tischtennis-Bundes, Richard Prause, gegenüber »nd«. Shan und Han hätten diese Wartezeiten natürlich längst erfüllt. »Da müsste man noch mal rangehen. Ich weiß, dass die ITTF das auch immer wieder macht. Aber es ist nicht leicht.«

Weniger Probleme hat Prause bei den Männern, denn erstmals seit vier Jahren stehen wieder Dimitri Owtscharow und Timo Boll gemeinsam und völlig gesund zur Verfügung. Die letzten beiden Europameisterschaften waren jeweils überraschend im Finale gegen Frankreich und Österreich verloren worden. »Jetzt sind wir extra motiviert, den Titel wieder zurückzuholen«, berichtet Prause.

Der Sportdirektor ist besonders froh darüber, dass ihm niemand abgesagt hat, obwohl die Team-EM wenig lukrativ ist und einen viel geringeren Stellenwert hat als Weltmeisterschaften und Olympische Spiele. »Das zeigt, dass unsere Topspieler sehr gern für die Nationalmannschaft spielen. Sie sind hungrig auf Titel, und dies sind im Tischtennis auch noch etwas wert«, so Prause.

Dabei hatte es viel Kritik der Spieler am vollen Terminkalender gegeben. »Tennisprofis spielen auf einer Tour, Fußballprofis für einen Verein. Wir spielen für einen Verein und auf einer Tour«, erklärte Owtscharow. »Dazu haben wir jedes Jahr WM- oder EM-Turniere. Und zusätzlich spielen wir im Sommer noch in der chinesischen Liga.« Es sei schwierig, etwas abzusagen, da er WM und EM mit Stolz spiele, der Lebensunterhalt aber bei den Vereinen verdient wird. Und die Super League in China »ist das Beste, was es in unserem Sport gibt«.

Auch bei den Männern gehen laut Weltrangliste die zwei besten Spieler des Kontinents für Deutschland an den Start. »Uns ist bewusst, dass wir Hauptfavorit sind«, so Prause. »Wir wissen aber auch, dass uns Schweden, Frankreich und Österreich vor große Schwierigkeiten stellen können. Bei den einzelnen Duellen Mann gegen Mann sieht es schon gar nicht mehr so eindeutig aus.« Offenbar haben Boll, Owtscharow und Abwehrspezialist Ruwen Filus doch ein paar Angstgegner, denen sie lieber aus dem Weg gehen würden.

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