High Noon im Wahlkreis 150 - knappes Rennen im Sauerland

Im »schwarzen« Sauerland kämpft eine SPD-Kandidatin um den Wiedereinzug in den Bundestag / Haustür-Wahlkampf um jede Stimme

  • Lesedauer: 3 Min.

Lüdenscheid. »Jede Stimme zählt«: Dass das kein platter Slogan ist, wissen die Bundestagsabgeordneten Dagmar Freitag (SPD) und Christel Voßbeck-Kayser (CDU) nur zu gut. Bei der Bundestagswahl 2013 trennten die beiden Kandidatinnen des Wahlkreises Märkischer Kreis II im Sauerland gerade einmal 53 Stimmen. So eng wie in der Gegend um Menden, Iserlohn und Altena war der Ausgang bei den Erststimmen in keinem anderen Wahlkreis in Deutschland.

»In Berlin bekomme ich häufiger Besuch von Besuchergruppen aus meinem Wahlkreis. Das sind oftmals 40 bis 50 Personen«, erzählt Freitag. »Und denen sage ich dann: Hätten in etwa so viele Menschen, wie jetzt hier vor mir sitzen, mit ihrer Erststimme anders entschieden, stünde ich jetzt gar nicht vor Ihnen. Da verstehen die auch: Jede einzelne Stimme wird gezählt und zählt.«

Mit dem knappen Vorsprung sicherte sich Freitag das Direktmandat. Voßbeck-Kayser hatte das Nachsehen. »Ich bin da angetreten gegen eine etablierte Politikerin. Das waren 53 bei über 140.000 abgegebenen Stimmen. Damit habe ich mich nie als Verliererin gesehen.«

Ihr Trostpflaster hieß Landesliste. Über diese rückte die CDU-Frau auf und sitzt seither im Bundestag, ist Mitglied des Petitionsausschusses und des Ausschusses für Arbeit und Soziales.

Bei der Wahl am 24. September 2017 stehen sich die beiden Kontrahentinnen nach 2009 und 2013 nun zum dritten Mal im Wahlkreis 150 gegenüber. »Ich gehe da ran wie immer. Ziemlich pragmatisch und positiv gestimmt«, sagt die CDU-Herausforderin. Und doch dürfte ihre Anspannung größer sein. Die 56-Jährige ist sich sicher, dass ihr Landeslistenplatz dieses Mal »definitiv nicht ziehen« wird. »Es zählt: Entweder das Direktmandat - oder nichts. Ich bin voll fokussiert auf den Wahlkampf. Ich achte auf einen strukturierten Tagesablauf und schaue, dass ich genügend Schlaf kriege. Meine Familie steht da zurzeit auch hinten an. Alles richtet sich auf die Wahl aus.«

Auf den bundesweiten Trend, der die CDU vorne sieht, will sie sich nicht verlassen. »Anders als bei der Kommunalwahl spielt der Trend eine Rolle, da machen wir als Kandidaten nicht mal die Hälfte aus. Ich werbe für eine starke CDU mit Erst- und Zweitstimme. Der Trend ist positiv, aber ich warne davor: Das Ergebnis steht erst am Wahlabend um 18 Uhr fest.«

Dass Voßbeck-Kayser explizit die Erst- und Zweitstimme erwähnt, könnte an Dagmar Freitag liegen. Denn, geht es um die Partei, wählt der Märkische Kreis in der Regel CDU. 41 Prozent waren es bei der vergangenen Wahl, gut 9 Prozent mehr als die SPD - und dennoch holte Freitag das Direktmandat für die Sozialdemokraten.

»Ich vergleiche das mit einem 100-Meter-Lauf. Seit 2009 gehe ich jedes Mal mit einem Rückstand von 12 bis 15 Metern ins Rennen«, erklärt die Vorsitzende des Sportausschusses. »Das ist dann ganz harte Arbeit, nicht nur im Wahljahr, um am Ende vorne zu liegen.«

Seit 1994 sitzt die 64-jährige Freitag im Bundestag. Im Tür-zu-Tür-Wahlkampf buhlt sie darum, dass das so bleibt. »Die Ausgangslage ist mit der verlorenen NRW-Landtagswahl noch weitaus schwieriger geworden. Ich habe keinen SPD-Landtagsabgeordneten mehr in meinem Wahlkreis und von den neun Bürgermeistern ist gerade einmal einer in meiner Partei. Und da ist die Motivation, das Direktmandat zu verteidigen, bei uns im Wahlkampf-Team schon gegeben, in der Überzeugung: Wir können den «Schwarzen» nicht den ganzen Wahlkreis überlassen.«

Obwohl noch vier weitere Direktkandidaten im Märkischen Kreis antreten, erwarten Freitag und Voßbeck-Kayser erneut ein knappes Duell um das Direktmandat. »Ich habe keine Glaskugel«, meint Voßbeck-Kayser. »Ich gebe alles und würde mich natürlich freuen, wenn ich im dritten Anlauf die Nase vorne hätte.« Dagmar Freitag will »kämpfen bis zur letzten Minute. Im Sport entscheidet auch mal eine Tausendstel über Platz 1 und 2. Und ein Plus von wenigen Stimmen ebenso über das Direktmandat.« dpa/nd

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.