Mit weichen Knien

Folge 121 der nd-Serie »Ostkurve«: RB Leipzig debütiert in der Champions League mit einem 1:1 gegen AS Monaco

  • Ullrich Kroemer, Leipzig
  • Lesedauer: 4 Min.

Die acht Jahre, die der Fußballklub RB Leipzig nun existiert, sind eigentlich eine überschaubare Zeit. Doch seit der Gründung 2009 ist bei Rasenballsport so viel geschehen, dass der Rückblick am Abend des ersten Champions-League-Auftrittes wirkte wie bei anderen Vereinen Schwarz-Weiß-Aufnahmen. RB hatte zur Königsklassenpremiere gegen AS Monaco alle Spieler eingeladen, die mehr als 50 Spiele für RB bestritten haben.

Unter dem Jubel der gut 40 000 - die 50 Gästefans ausgenommen - betraten Rekordtorjäger Daniel Frahn, Abwehrrecke Tim »Kogge« Sebastian und Ingo Hertzsch, heute bei RB für soziale Projekte zuständig, den Rasen. Andere wie Daniel Rosin und Lars Müller, die auf den Tag genau vor acht Jahren im Markranstädter Stadion am Bad bei der ersten Punktspielniederlage der Vereinsgeschichte gegen Budissa Bautzen auf dem Platz standen, sind wohl nur Insidern ein Begriff.

Rasenball gegen Rassismus

Das Bündnis »Rasenball gegen Rassismus« (RgR) hatte Fans vor dem Spiel via Facebook dazu aufgerufen, auf dem Weg ins Stadion Wahlplakate der AfD abzuhängen. Der Beitrag war später wieder gelöscht worden. Eine nd-Anfrage wollte RgR, das aus Mitgliedern diverser RB-Fangruppen besteht, nicht beantworten. Jule Nagel, Landtagsabgeordnete der LINKEN, hatte die Aktion via Twitter begrüßt: »Demontage von rassistischen Wahlplakaten? Humanistische Pflicht!« Viele Fans folgten dem Aufruf aber nicht. »Es ist mir nicht bekannt, dass im Rahmen des Fußballspiels AfD-Plakate demontiert wurden«, sagte eine Polizeisprecherin. kr

Damals Bautzen, heute Monaco. Das war also der Rahmen für den rasanten Aufstieg des umstrittenen Red-Bull-Klubs von der Oberliga auf die größte Bühne des europäischen Fußballs. Im Vorfeld des historischen Spiels 29 Jahre nach dem letzten Europapokalauftritt einer Leipziger Mannschaft hatte sich in der Messestadt noch nicht so recht Euphorie einstellen wollen. Bis zum Abend vor dem Spiel hatte es noch Karten auf den teuersten Plätzen für 60 bis 85 Euro gegeben. Die Leipziger Verantwortlichen und Spieler mochten die Partie gegen den französischen Meister im Vorfeld nicht zu stark aufladen und äußerten sich so vergleichsweise unemotional.

Am meisten wussten ältere Zuschauer wie Gert Buchmann, Jahrgang 1957, die Rückkehr ins internationale Geschäft zu schätzen. Bachmann hat die großen Auftritte des 1. FC Lok Leipzig von Anfang der 1970er bis Ende der 1980er Jahre im alten Zentralstadion miterlebt und seither europäischen Fußball missen müssen. »Da hast du in Leipzig keinen getroffen, der nicht im Stadion war«, erinnerte sich Buchmann vor der Partie. Nur alte Leute, Kinder und Frauen, die sich nicht für Fußball interessierten, seien zu Hause geblieben. »Wir gegen die«, so der Fußballenthusiast über die Begeisterung damals.

Natürlich könne man RB mit Lok nicht vergleichen, die Zeiten änderten sich, sagte RB-Fan Buchmann vor dem Debüt. »Doch es ist nun einmal dasselbe Stadion und dieselbe Stadt. Insofern gehört beides zur Leipziger Fußballhistorie.« Und die Euro-Euphorie von damals müsse sich heute eben erst wieder entwickeln.

Am Mittwochabend wurde der Grundstein gelegt. Als die Mannschaften einliefen, die Champions-League-Hymne gespielt wurde, Trainer Ralph Hasenhüttl im noblen schwarzen Anzug an der Seitenlinie stand, die RB-Kicker vergangener Tage geehrt wurden und die Fans ihre Choreografie zeigten, kribbelte es tatsächlich. So wie es Buchmann vorhergesagt hatte. Die Leipziger Anhänger hatten vor dem Anpfiff eine Alpenkulisse auf Fahnentuch die Ränge hinaufgezogen. Dazu stand in großen Lettern vor der Fankurve: »Rasenballsport Leipzig durch Europa tragen«. Damit war nicht nur die Unterstützung auf den Plätzen jenseits der Alpen gemeint, sondern auch, den jungen Klub und Leipzigs Spielidee international bekannt zu machen. Das glückte den Leipzigern beim 1:1 (1:1) gegen Vorjahreshalbfinalist AS Monaco respektabel, aber noch nicht vollends. Um auf dem Feld und den Rängen noch mehr Königsklassenatmosphäre zu verbreiten, agierte das Team von Trainer Ralph Hasenhüttl zu wenig angriffslustig und mutig in der Spitze - eigentlich die große Stärke der Gastgeber. »Wir haben uns nicht getraut den entscheidenden Pass zu spielen«, monierte Torjäger Timo Werner.

Bereits die Aufstellung passte nicht ganz zum forschen Stil, den Hasenhüttl sonst predigt. »Wir haben nicht genau gewusst, was uns gegen diesen Gegner erwartet, wie früh oder spät uns Monaco angreifen würde«, bekannte der Österreicher und wählte daher eine »sicherheitsbezogene« Aufstellung. »Wir sind kein volles Risiko gegangen.« Die historische Führung nach einem Solo von Emil Forsberg (33.) egalisierte der Belgier Youri Tielemans keine zwei Minuten später (35.), nachdem der Jubel Leipzig einen Moment lang hatte unaufmerksam werden lassen.

So langte es gegen die gut sortierten, erfahrenen, früh pressenden und trotz kaum vorhandener Chancen stets gefährlichen Monegassen lediglich zu einem gerechten Remis. Das hinterließ bei Kapitän Willi Orban & Co. »ein etwas mulmiges Gefühl, weil wir besser spielen können. Bei vielen von uns war die eigene Nervosität auf dieser großen Bühne die größte Herausforderung. Das hat man gemerkt. Ein bisschen mehr Mut hätte uns gutgetan.«

Auch Nationalspieler Timo Werner gestand später offen die Aufregung ein: »Als die Hymne kam, sind nicht nur bei mir, sondern auch bei vielen anderen die Knie etwas weich geworden.« Beim kommenden Champions-League-Auftritt bei Besiktas Istanbul wollen sie die Nervosität abstellen - um das echte RB-Spiel auch in der Königsklasse zu demonstrieren.

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