Das Abc eines »Lebensmittels«

Rund um das Girokonto

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 4 Min.

Für das Guthaben auf dem Girokonto Zinsen zahlen? Die Einführung sogenannter Verwahrentgelte ist für drei von vier Bundesbürgern ein »Geht gar nicht!« Dies ist das Ergebnis einer angeblich repräsentativen Umfrage, die das Marktforschungsinstitut Forsa für die Verbraucherzentrale Sachsen durchführte.

»Die Umfrage zeigt, dass eine klare Mehrheit der Verbraucher Negativzinsen für ihr Girokonto nicht hinnehmen und die Bank oder Sparkasse dann wahrscheinlich wechseln würde«, sagt Kerstin Schultz, Teamleiterin der sächsischen Marktwächter. Für 59 Prozent der Befragten wäre ein Wechsel des Kreditinstitutes in diesem Falle »sehr wahrscheinlich«, für weitere 15 Prozent immerhin noch »eher wahrscheinlich«. Diese Einschätzung sei in allen Altersgruppen von 18 bis 69 Jahren annähernd gleich, lediglich bei Verbrauchern ab 70 Jahren und älter falle der Wert etwas geringer aus.

Zum Nachlesen

Die Verbraucherzentrale Bremen hat einen aktualisierten Girokontenvergleich zu den Konditionen der Banken mit Nachhaltigkeitsstandards veröffentlicht. Der Girokontenvergleich umfasst die Konditionen für Online-Kontoführung von zwölf Banken mit Nachhaltigkeitsstandards. Seit der letzten Erhebung im März 2017 haben sich lediglich die Konditionen der Ethikbank verändert.

Die Übersicht steht im Internet unter http:// www. verbraucherzentrale-bremen. de/ medibig/243732A.pdf.

Ob man nun solche Telefonumfragen für mehr oder weniger aussagekräftig hält: Es gilt nicht allein die (Minus-)Verzinsung zu beachten. Lange überboten sich Banken und Sparkassen mit kostenlosen Konten plus X. Doch seit im Sommer 2007 die große Finanzkrise ausbrach, ist alles anders. Die Niedrigzinspolitik, mit der die Europäische Zentralbank auf die Krise reagiert, und arbeitsaufwendige Regulierungen bewegen die Kreditwirtschaft, nach neuen Einnahmequellen Ausschau zu halten.

Eine Baustelle: das Girokonto. Heute ist kaum noch - außer für Kinder und Jugendliche als »Einstiegsdroge« - ein wirklich kostenloses Konto zu kaufen. Selbst die Sparda-Bank Berlin verabschiedet sich zum 1. Oktober 2017 vom kostenlosen Girokonto - dem Markenzeichen der Sparda-Banken.

Zusammen mit der damals noch gewerkschaftseigenen Bank für Gemeinwirtschaft (BfG) entdeckten vor Jahrzehnten die genossenschaftlichen Sparda-Banken das kostenlose Girokonto neu.

Kostenlos war einmal selbstverständlich

Als die Banken in den 60er Jahren in der BRD begonnen hatten, das Girokonto flächendeckend durchzusetzen, warben sie noch für Angebote, die dem Kunden nichts kosten. Erst als das Girokonto zum Standard geworden war, wurden Gebühren erhoben und nach und nach die Preise erhöht.

Heute lohnt es sich wieder, genau hinzuschauen und unter Umständen das Girokonto oder sogar die kontoführende Bank zu wechseln. Die Postbank etwa wünscht einen regelmäßigen Geldeingang pro Monat. Andere erwarten den Kauf eines Genossenschaftsanteils. Wieder andere Institute wollen für ein günstiges Konto ein kontinuierliches Guthaben sehen - das möglicherweise verzinst wird - oder sie begrenzen die Zahl der monatlichen Buchungen.

Andere wie die größte Sparkasse Deutschlands, die Haspa in Hamburg setzen auf Luxuskonten mit vielen Zusatzfunktionen außerhalb des Bankgeschäfts wie Kinokarten, exklusive Veranstaltungen oder Preisnachlässe für die Drogerie.

Mehr oder weniger versteckt, werden mancherorts Extra-Gebühren für die EC-Karte (Girocard) und fast immer für die Kreditkarte erhoben. Auch hier lohnt ein Preisvergleich.

Generell sind Girokonten, die online im Internet vom Kunden geführt werden, preiswerter als das klassische Konto in einer Filiale. Schließlich übernimmt hier der Verbraucher einen Großteil der Arbeit der Bank. Der Wechsel der Bankverbindung ist heute dank gesetzlicher Vorgaben leicht möglich.

Der kostspieligste Posten ist der Dispokredit. Die Höhe hängt von der Kreditwürdigkeit und den regelmäßigen Geldeingängen auf dem Konto ab. Banken können sich so günstig Geld leihen wie nie - doch ihre Kunden müssen hohe Zinsen zahlen.

19 Prozent für einen Überziehungskredit

Im Schnitt liegt der Dispozins bei 9,8 Prozent. Dies ergab eine Umfrage der Stiftung Warentest unter 1300 Kreditinstituten. In der Spitze verlangen einige Geldhäuser rund 13 Prozent für einen Dispositionskredit. Der Dispo kann also richtig teuer werden. Noch kostspieliger kommt ein Überziehungskredit. Dies ist ein Kredit, der über das Dispolimit hinausgeht. Hierfür werden bis zu 19 Prozent Zinsen verlangt.

Die Marktwächter in Sachsen schauten dem Treiben nicht tatenlos zu und erhoben im August 2017 Klage gegen die Volksbank Reutlingen. Die Volksbank hat zwar auf Druck von Verbraucherschützern das Verwahrentgelt zurückgenommen, doch in einem offenen Brief schließt der Vorstand Minuszinsen für die Zukunft nicht aus.

»Wir sind der Ansicht, dass im Falle von Negativzinsen für gebührenpflichtige Kontomodelle eine doppelte Bepreisung vorläge«, begründet Kerstin Schultz von der Verbraucherzentrale Sachsen die Klage. Denn die Verwaltung von Einlagen gehöre zu vertraglichen und gesetzlichen Pflichten von Banken und Sparkassen im Rahmen eines Girokontovertrages.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.