Indien drängt Autohersteller zur Luftverbesserung
Ende des Verbrennungsmotors mit seinen schädlichen Abgasen: Ab 2030 sollen auf dem Subkontinent nur noch strombetriebene Fahrzeuge zugelassen werden
Indien hat sich ein ambitioniertes Ziel gesetzt: Im Jahr 2030 soll jedes neu zugelassene Fahrzeug ausschließlich elektrisch angetrieben werden. Angesichts extremer Luftverschmutzung in Metropolen wie Delhi oder Mumbai ist der Ehrgeiz nicht fehl am Platz. Transportminister Nitin Gadkari untermauerte dieser Tage das Vorhaben noch einmal mit einer Mahnung an die Autoindustrie, rasch strombetriebene Fahrzeuge für den indischen Markt zu entwickeln.
Gerade erst hat Tata Motors, Tochter des traditionsreichen indischen Mischkonzerns Tata Group, den Prototypen einer Elektrovariante des Kleinwagens Tiago bei einer Veranstaltung im britischen Millbrook vorgestellt. Laut Firmenangaben beträgt die Höchstgeschwindigkeit des Tiago EV 135 Stundenkilometer, die Reichweite mit einer Batterieladung mindestens 100 Kilometer. Mit diesen Kenndaten wäre der Neuling, der kurz vor der Produktionsreife stehen und ab 2018 den indischen Markt erobern soll, dort das schnellste E-Auto - und womöglich auch das lukrativste. Der Verkaufspreis, so heißt es, wird in der Basisvariante bei 328 000 Rupien (etwa 4700 Euro) liegen. Der e20 Plus von Marktführer Mahindra kostet fast das Doppelte.
Noch bleibt allerhand zu tun, um die Vision, ab 2030 den Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor und damit der automobilen Luftverschmutzung zu wagen, in die Tat umzusetzen. Noch sind strombetriebene Pkw auch in Indien ein reines Nischenprodukt. Lediglich 5000 der im Vorjahr verkauften drei Millionen Neufahrzeuge entfielen auf dieses Segment. Neben Mahindra als bisher einzigem einheimischen Hersteller haben noch BMW, Toyota und Volvo E-Autos oder Hybride im Sortiment. Doch gerade die jüngsten Nachrichten aus dem Hause Tata zeigen die Marschrichtung. Zudem hat sich das Unternehmen bei der Modellentscheidung für ein E-Auto nicht zufällig für den Tiago entschieden. Dieser wird in Indien seit 2016 mit gutem Erfolg verkauft. Die gleiche Antriebstechnologie könnte schon bald auch beim Tata Nano zum Einsatz kommen, glaubt man Experten. Der war einst als das preisgünstigste Auto der Welt gestartet, die letzten Verkaufszahlen waren jedoch nicht mehr so berauschend - die Elektrovariante könnte dem Nano somit wieder Auftrieb geben.
Auch in anderen Unternehmen tut sich gerade einiges. So vermeldete das Wirtschaftsblatt »Mint«, dass der indische Mischkonzern JSW zusammen mit der chinesischen Zhejiang Geely Holding, Mutterkonzern von Volvo, ein Joint Venture bildet, um strombetriebene Pkw und dazugehörige Bauteile wie Batterien im Inland zu produzieren. Die JSW-Gruppe, die dem Milliardär Sajjan Jindal gehört, hatte vor einem Monat verkündet, knapp 600 Millionen Euro in die Entwicklung von Fahrzeugen mit Elek- troantrieb investieren zu wollen. Die Kooperation mit dem chinesischen Partner würde den Indern Zugriff auf dessen Know-how bei Batterien und Ladesystemen eröffnen. Beides ist im globalen Maßstab wie auch bei den ehrgeizigen Zukunftsplänen auf dem Subkontinent noch immer die größte Schwachstelle.
Laut Ashok Jhunjhunwala, Professor am Indian Institute of Technology in Chennai und Chefberater des Ministeriums für Neue und Erneuerbare Energien, ist es höchste Zeit, dass das Land mit der eigenen Produktion von Komponenten wie Batterien beginne. Man drohe sonst abgehängt zu werden und müsse in einigen Jahren, die Bauteile fast komplett aus dem Ausland importieren, so wie jetzt Öl. Verwiesen wird auch auf den Umstand, dass die Batteriepreise in den letzten fünf Jahren von 600 auf 250 US-Dollar gefallen seien - und 2024 den Prognosen zufolge bei nur noch 100 Dollar liegen werden. Dies macht niedrigpreisige Modelle wie den Tiago EV für den indischen Markt überhaupt erst möglich. Stark ausgebaut werden muss in jedem Fall auch das Angebot an Ladestationen.
Der koreanische Hersteller Hyundai war bisher auf eine Hybridentwicklung für Indien orientiert. Angesichts des Drucks aus der Politik will er nun aber seine Elektromodelle an den indischen Markt anpassen und hat dazu Gespräche mit Zulieferern begonnen. Unterdessen arbeitet der einheimische Nutzfahrzeughersteller Ashok Leyland, der voriges Jahr einen strombetriebenen Bus auf den Markt brachte, an Möglichkeiten, das gleiche Antriebssystem mit nur minimalen Änderungen auch in Pkw und Lkw einbauen zu können. Dazu hat man sich mit dem Start-up SUN Mobility zusammengetan.
Die »Economic Times« meldete zudem, das Staatsunternehmen Energy Efficiency Services wolle im Dezember eine Ausschreibung für 25 000 strombetriebene Rikschas, dreirädrige Kleintaxis, starten. Mehrere Firmen wie Lohia Auto, Electrotherm, Kinetic Green und vor allem Marktführer Mahindra, der auch Vorreiter bei der Entwicklung solcher Rikscha- modelle ist, haben schon angekündigt, in den Ring steigen zu wollen.
Bei Mofas und Motorrädern, so ist auf der Webseite pluginindia.com nachzulesen, schreitet der Fortschritt noch schneller voran als bei Autos. Etliche Hersteller haben jetzt schon 100 Prozent elektrobetriebene Zweiradfahrzeuge im Angebot oder stehen bei diesen unmittelbar vor der Markteinführung.
Wichtig ist in jedem Fall, bis 2030 die Produktionskapazitäten massiv auszuweiten. Bis dahin werde die jährliche Neuzulassung in Indien bei zehn Millionen Fahrzeugen liegen, die nach Vorgabe der Politik dann sämtlich auf Elektrobasis laufen sollen, schreibt der Wirtschaftsdienst Bloomberg unter Verweis auf Zahlen der Internationalen Energie-Agentur, die Indiens Pläne als »ambitioniert« einstuft: Schließlich wäre das rund das Achtfache jener 1,3 Millionen Elektrofahrzeuge, die heute weltweit auf den Straßen rollen.
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