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Trump mit »Donnerbüchse« beim UN-Debüt
Scharfe Kritik an der aggressiven Rede des US-Präsidenten vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen
Ja, es war eine historische Rede von Donald Trump. Denn wann hat ein Staatschef zum letzten Mal mitten im Herzen der Vereinten Nationen einem anderen Staat mit Krieg und vollständiger Zerstörung gedroht – übrigens eine massive Verletzung der UN-Charta. Kein Wunder also, dass es nach dem ersten Auftritt des US-Präsidenten in der Vollversammlung scharfe Kritik für seine »rhetorische Donnerbüchse« (»Times«) am Rednerpult gab, nicht nur in Nordkorea oder Iran, das er als abgewirtschafteten Schurkenstaat schmähte.
Zu Unrecht beschimpft fühlte sich auch Venezuela, dessen Außenminister Jorge Arreaza erklärte, kein Staatenlenker dürfe die Demokratie und Souveränität seines Landes infrage stellen. »Solche Hassreden gehören ins Mittelalter und nicht ins 21. Jahrhundert«, twitterte sein iranischer Amtskollege Mohamed Dschawad Sarif. Und Moskaus Außenminister Sergej Lawrow sagte nach einem Treffen mit US-Kollegen Rex Tillerson: »Wir wollen niemanden dämonisieren, und wir versuchen immer zu verstehen, was der Kern des Problems ist.«
Kanzlerin Angela Merkel ließ im fernen Schwerin auf einer Wahlkampfveranstaltung wissen, dass es für die Bundesregierung nur eine diplomatische Lösung des Nordkorea-Konflikts geben könne. Außenminister Sigmar Gabriel, der am Donnerstag vor der Vollversammlung reden soll, hatte zuvor schon direkte Gespräche mit Pjöngjang gefordert.
»Wir dürfen nicht in einen Krieg schlafwandeln.«
UN-Generalsekretär Antonio Guterres
Auch China rief Trump zur Zurückhaltung auf. Grundsätzlicher wurde Schwedens Außenministerin. Margot Wallström zeigte sich entsetzt über eine zutiefst nationalistische Rede Trumps, der erklärt hatte, er werde die USA immer an die erste Stelle setzen, genau wie andere Staatschefs das stets mit ihren Ländern tun sollten. So etwas habe sie seit Jahren nicht in der UN-Vollversammlung gehört – »die falsche Rede zur falschen Zeit vor den falschen Zuhörern«, so Wallströms Urteil.
Aber es wurde auch gelobt, geradezu überschwänglich vom israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu: »In meinen mehr als 30 Jahren Erfahrung mit den Vereinten Nationen habe ich noch nie eine kühnere oder mutigere Rede gehört.« NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg freute sich, dass Trump mittlerweile ein tatkräftiger Unterstützer des Militärbündnisses sei. In Seoul gab es ebenfalls viel Zuspruch für den Verbündeten. Schon die Zeit, die Trump in seiner Rede Fragen des nordkoreanischen Atomprogramms widmete, zeige, wie ernst Washington die Angelegenheit nehme.
Der französische Präsident Emmanuel Macron gehörte zu jenen, die gleich im UN-Forum dagegen hielten. Herausforderungen könnten nur gemeinsam bewältigt werden und nicht durch eine Strategie, die nur die Stärksten überleben lässt. Macron lobte dezidiert das »solide« und »robuste« Atomabkommen mit Teheran, dem laut Trump schlechtesten Deal, der jemals ausgehandelt worden sei.
Möglich aber wurde er überhaupt erst, weil sich die fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats und Deutschland mit Teheran an einen Tisch gesetzt haben. Ohne Allianzen kann Trump auch das Nordkorea-Problem nicht lösen. Vor diesem Hintergrund ist interessant, dass Pentagon-Chef James Mattis erneut seine Hoffnung auf eine friedliche, eine diplomatische Beilegung des Konfliktes zum Ausdruck brachte. »Wir handhaben die Situation über den internationalen Prozess und werden das auch weiterhin tun«, sagte er unmittelbar nach Trumps Rede.
Die schätzten manche Beobachter sogar auffällig zurückhaltender ein als die verbalen Rundumschlage bei seiner Amtseinführung oder dem Premierenauftritt im NATO-Hauptquartier. Die demokratische Senatorin Dianne Feinstein nannte die düstere Drohkulisse allerdings eine »ernsthafte Enttäuschung«. Und Ben Rhodes, Barack Obamas Redenschreiber, warnte nachdrücklich vor dem unvorhersehbaren Schaden, würde Trump seine Worte in die Tat umsetzen.
Während sich die USA und Nordkorea gegenseitig mit einem Nuklearkrieg bedrohen, setzen andere Staaten ein deutliches Zeichen gegen Kernwaffen. Am Mittwoch wurde der Vertrag zum Verbot von Atomwaffen, der im Juli von 122 Staaten beschlossen worden ist, in New York feierlich zur Unterschrift freigegeben. Allerdings haben die neun Länder, die inzwischen Kernwaffen besitzen, nicht an den Verhandlungen über den Vertrag teilgenommen. Auch Deutschland hat bislang seine Unterschrift verweigert, was die Zivilgesellschaft heftig kritisiert.
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